Andreas Gruber: Herzfluch, Goldmann Verlag, München 2025, 608 Seiten, €17,00, 978-3-442-49463-7

„Was für ein seltsamer Ort, und was für eine seltsame Geschichte, in die sie da gestolpert ist. Ein gefundenes Fressen, wenn sie tatsächlich Journalistin gewesen wäre – aber eigentlich war ihr die Auflösung relativ egal. Schließlich ging sie diese Sache nichts an. Es sei denn, Thomas Dannenberg hat Milo Bakis ermordet und seinen Platz eingenommen, überlegte sie. Dann wäre der Fall auch für sie wieder interessant.“

Alle Wege der Protagonisten führen in diesem Roman nicht nach Rom, sondern von Wien nach Griechenland. Auf der fiktiven Insel namens Drakýos arbeitet und lebt der gefeierte Künstler Milo Bakis, von dem in den letzten dreizehn Jahren kein Interview und nicht ein Foto existiert. Sein Agent und Kurator ist der Deutsche Thomas Dannenberg, der sich, um seine Vergangenheit abzustreifen, allerdings einen anderen Namen zugelegt hat. Die Privatdetektivin Elena Gerink hat den Auftrag erhalten, ihn aufzuspüren um nachzuweisen, dass er vor fünfzehn Jahren die minderjährige Nina Grabowski, die auch noch von ihm schwanger war, in seiner Wiener Wohnung getötet hat. Obwohl die Polizei Thomas Dannenberg mit blutigen Händen in der Wohnung stellen konnte, wurde der attraktive und eloquente Angeklagte von einem Geschworenengericht freigesprochen. Ninas kranker Großvater, Balthasar Grabowski, will vor seinem Tod die Gewissheit haben, dass Dannenberg schuldig ist. Zeitgleich ermitteln Peter Gerink, Elenas Mann, und sein Partner Dino Scatozza vom Bundeskriminalamt Wien auf der Insel Naxos nach der verschwundenen Rucksacktouristin Anna Klein. Wobei die beiden Ermittler ihre Suche nach dem sechsjährigen Oliver Teuber in Griechenland aufgeben mussten. Die bildschöne Anna wurde zuletzt auf einer ausschweifenden Party eines steinreichen Reeders gesehen, bei der die Gäste, die übermütig in den Pool gesprungen sind, offenbar vergiftet wurden.
Kleinteilig und kompliziert ist die Arbeit der BKA-Mitarbeiter und langatmige Recherchen werden manchmal durch Zufallstreffer gekrönt. Ausufernd und detailverliebt erzählt Andreas Gruber nun von der Arbeit der Ermittler, die in Griechenland, und in Deutschland ist es sicher nicht anders, auch mit der heimischen Polizei, den Sprachbarrieren und den Behörden so ihre Probleme haben.
Zeitlich versetzt begleiten die Lesenden nun Anna Klein und ihre Zufallsbekanntschaft, den gut aussehenden Leonidas, den Elena Gerink auf Drakýos treffen wird. Und sie verfolgen Elenas Wege und Gedanken, die fest der Meinung ist, dass nur Thomas Dannenberg als Mörder in Frage kommt. Als es ihr allerdings gelingt, mit Dannenberg ins Gespräch zu kommen, verändern sich plötzlich ihre Ansichten und sie ahnt, dass Ninas Großvater nicht mit offenen Karten spielt. Dass sie mit ihrem Aufenthalt auf der Privatinsel Drakýos, ohne es zu ahnen, auch noch in ein Wespennest gestoßen hat, und ihren Mann und seinen Partner in größte Schwierigkeiten bringen wird, ahnt weder sie noch die Lesenden.
Die alles gewährende Schaffung von Kunstwerken und die Überhöhung des Künstlers, der gefühllos und egoistisch über Leichen geht, die griechische Mythologie, aber auch die kriminelle Giftmüllentsorgung, die Nazivergangenheit, Identitätswechsel, Inzest und vor allem die Entführung von Frauen und einem Kind – all diese Themen verhandelt Andreas Gruber in seinem Seiten starken, temporeichen und doch überfüllten Plot.
Einem Puzzle gleich werden letztendlich alle Figuren und Geschehnisse überzeugend an ihre passenden Stellen gerückt, doch bei aller Fantasie lenken allzu viele Hintergrundinformationen und grausige Details vom wahren Geschehen ab.
Und doch – lesenswert!