Juli Zeh: Nullzeit, Schöffling & Co. Verlag, Frankfurt am Main 2012, 256 Seiten, €19,95, 978-3-89561-436-1

„Bezahlt wurde ich für den Umgang mit zwei Neurotikern, die geahnt hatten, dass sie im Urlaub beaufsichtigt werden müssen. Entgegen Theos Vermutungen war ich nicht so dumm, mich selbst für das Problem zu halten.“

Sven hat Deutschland den Rücken gekehrt und arbeitet seit 14 Jahren in seiner eigenen Tauchschule als Lehrer auf einer Insel, deren Name zwar nicht genannt wird, aber es könnte Lazarote sein. Als gut eingespieltes Team steht ihm die treue Antje zur Seite, die schon immer mit Sven leben wollte. Für ihn ist sie einfach nur anwesend, führt die Buchhaltung und darf gelegentlich auch Geliebte sein.

Als die beiden Deutschen, die 30-jährige Jola, Schauspielerin in einer Soap mit einflussreichem Vater im Filmgeschäft und Theo, 16 Jahre älterer, unbedeutender Schriftsteller zum exklusiven Tauchlehrgang für 14 Tage anreisen, wird dies Svens Aussteigerleben völlig verändern. Schnell erkennt Sven, dass seine Kunden eine spannungsreiche Beziehung führen, die auf gegenseitigen Demütigungen vor Publikum bis hin zu körperlicher Züchtigung eher im Privaten basiert.

Ziel des Tauchlehrgangs ist für Jola die Bewerbung um eine Filmrolle, ihre letzte große Chance ohne Daddys Vermittlungen. Sie will Lotte Hass spielen, die 1970 ihre Autobiografie „Ein Mädchen auf dem Meeresgrund“ veröffentlichte.

Wie in einem Kammerspiel agieren nun die Protagonisten, kühl, unsympathisch, voller Klischees und durchschaubar. Jola umschwärmt auf anbiedernde Weise Sven, um Theo eins auszuwischen. Der Erzähler der Geschehnisse ist Sven, der in Reflexionen sein Aussteigerdasein vom Juristen in Deutschland bis zum Tauchlehrer in Spanien erinnert. Eins wollte Sven immer vermeiden, das Beurteilen von Personen. Aber mit Jola und Theo ist er wieder mittendrin. Svens Darstellungen werden von Jolas völlig divergierenden Tagebuchaufzeichnungen unterbrochen.

Nach und nach spitzt sich die Dreierbeziehung zu. Theo liest Jolas Tagebuch, rastet Sven gegenüber aus, obwohl er diesem vor Kurzem noch freie Fahrt bei Jola gewährt hatte. Sven, der sich angeblich dagegen wehrt, wünscht sich eine sexuelle Beziehung und Partnerschaft mit Jola, die alle an der Nase herumführt und letztendlich sogar einen Mordkomplott einleitet.

Sven, der sich allem entziehen will, steckt in einem komplizierten Beziehungsgefüge. Antje verlässt Sven und sogar die guten Bekannten der Insel kehren ihm den Rücken zu.

Steigt man gern in die Geschichte ein, lässt sich auch ohne Kenntnisse von der Fachsprache der Taucher unterhalten, so verliert man nach und nach doch das Interesse an den Personen, die voraussehbar agieren und im Laufe der Tage immer blasser werden. Wenn Jola, Theo und Sven nicht so unendlich berechenbar wären in ihrem Denken und Handeln, dann könnte sich aus dieser Konstellation vielleicht tatsächlich so etwas wie ein echter Thriller entwickeln.

Letztendlich ist es nicht möglich in andere Welten zu entfliehen, ob man nun sein Land verlässt, unter Wasser Geborgenheit sucht oder in einem unerwarteten Gefühl, das Sven für Liebe hält.