Elly Griffiths: Manche Schuld vergeht nie, Aus dem Englischen von Stephanie Kremer, Tropen Verlag, Stuttgart 2025, 350 Seiten, €17,00, 978-3-608-50295-4

„Korsett.

Zwei baumwollene Unterröcke.
Ein Unterrock aus Flanell.
Ein Unterrock aus Pferdehaar und Leinen.
Leibchen, Mieder, Kamisol.
Schwarzes Seidenkleid ….
Schwarzer Wollschal.
Schutenhut.
Handschuhe aus weichem, grauen Leder.
Pelzmuff. Ein Wort, das Ali nicht mal denken kann, ohne dabei kindisch zu lachen.
Wenn ich das endlich anhabe, denkt sie, muss ich mich erst mal hinlegen. Wie um alles in der Welt haben die viktorianischen Frauen es bloß geschafft, die tägliche Knochenarbeit zu überstehen?
Nun, mit etwas Glück wird sie sich während ihres kurzen Aufenthaltes im Jahr 1850 an keiner körperlichen Arbeit versuchen müssen.“

Die fünfzigjährige Alison Dawson, Londoner Ermittlerin für angeblich alte Kriminalfälle, wird in diesem Band durch die einmalige Entdeckung der Physikerin Serafina Jones durch eine Pforte ins 19.Jahrhundert reisen. Nur wenige wissen, dass es diese unfassbare Möglichkeit gibt und bisher konnten die Ermittler der Sonderabteilung auch nur schemenhaft in die 1970er Jahre hinübergleiten. Doch dieses Mal wird die Zeitreisende zu sehen sein, und muss sich somit sehr gut vorbereiten, um als Mensch des 21. Jahrhunderts nicht aufzufallen.
Auch wenn Alis Chef, DCI Geoff Bastian, nicht gerade Optimismus verbreitet, nimmt er doch den Auftrag vom Justizminister Isaac Templeton an, nachzuforschen, ob sein Ururgroßvater einst drei Frauen ermordet hat. Um seine Familienehre wiederherzustellen, wird die mit allen Wassern gewaschene Ali, sie wurde ausdrücklich von Templeton dazu aufgefordert, diesen Auftrag ausführen. Ali soll allerdings nur kurzzeitig beobachten, so die Annahme.
Mag die Idee der Zeitreise, ob nun per Pforte, Portal, Schrank oder nackt ( „Die Frau des Zeitreisenden“ ), viele Autoren faszinieren, so verknüpft Elly Griffiths diese auch noch mit Morden im London des Jahres 1850 und in der Gegenwart 2023. Denn Isaac Templeton wird von einer antiken Waffe in seinem Haus in Sussex niedergestreckt. Dieser Roman bietet somit Spannung und Polizeiarbeit, aber auch tiefe Einblicke ins Viktorianische Zeitalter. Was haben die Frauen getragen, wie mussten sie sich verhalten, wie sah ihr Alltag aus, was können wir aus den Charles Dickens Romanen lernen oder auch nicht und vor allem, wie kann Ali im bittersten, schneereichen Januar 1850 in London allein überleben? Denn vieles geht schief und Ali wird nach einer Stunde nicht in ihr gewohntes Leben zurückkehren. Doch wer schlüpft an ihrer Stelle durch das Portal ins Jahr 2023? Gleich nach ihrer Ankunft hat Ali eine erste Frauenleiche gesehen, die allerdings nicht vom Ururgroßvater von Isaac Templeton, Cian Templeton, erschlagen wurde, sondern vom Maler Thomas Creek, der plötzlich verschwindet. Zum Glück kann sie im Mietshaus von Cian Templeton, dass von Künstlern bewohnt ist, ein Zimmer mieten. Als Kunstmäzen, Amateurarchäologe und Mitglied im Club der Männer, den Collectors, verfügt Cian Templeton über eine geheimnisvolle Sammlung, die den Ermittlern auch in der Gegenwart viele Rätsel aufgibt, insbesondere ein Stuhl. Um Alis Verschwinden sorgt sich ihr Sohn Finn, der als Sonderberater für den Justizminister arbeitet. Er erfährt nun, worin die durchaus gefährliche Arbeit seiner Mutter wirklich besteht. Und ausgerechnet er wird dann für den Mord an Isaac Templeton in Untersuchungshaft gehen.
Die Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen Zeitebenen, Familien und Orte bilden den Reiz dieses ungewöhnlichen Krimis, der mit fantastischen Elementen und routinierter Polizeiarbeit bei der Suche nach dem Täter / der Täterin und dem Motiv spielt. Mit reichlich Personal sorgt die Autorin für immer neue Wendungen im dramatischen Handlungsverlauf und stellt eine originelle, selbstbewusste, weibliche Hauptfigur ins Zentrum, der man auf ihrer Mission in Vergangenheit und Gegenwart allzu gern folgt.

Empfehlenswert!