Yrsa Sigurdardóttir: Blut, Aus dem Islandischen von Anika Wolff, btb Verlag, München 2025, 384 Seiten, €18,00, 978-3-442-76299-6

„Während sie schlief, war jemand zu ihr hereingekommen. Neben ihrer Koje lag ein Feuerlöscher. Auf der Kleidung, die sie, erschöpft wie sie gewesen war, einfach auf dem Boden hatte liegen lassen.“

Keine Frage, Yrsa Sigurdardóttir kann ungewöhnliche Plots konstruieren, die, was Lesende kaum für möglich halten, am Ende völlig logisch aufgehen und dazu noch überzeugen.
Auf einer Müllhalde werden in einem Gartensack menschliche Knochen entdeckt, allerdings fehlt der Schädel. Gunndís will unbedingt dauerhaft als Schiffsköchin arbeiten und kann von einer Stunde zur nächsten für einen Kollegen auf einem Loddentrawler anheuern. Seltsam ist, dass sie in der Kombüse ein Buch mit Rezepten findet, dass sie als Zehnjährige ihrem Vater geschenkt hat. Allerdings ist ihr Vater kurz danach mit seinem Schiff bei einem schrecklichen Brand untergegangen. Auf dieser kurzen Reise wird die Achtundzwanzigjährige erfahren, dass viele anwesende Seeleute die Schuld an diesem Unglück ihrem Vater geben und sie mobben.
Die Polizisten Týr und Karó müssen einen Nachbarschaftsstreit schlichten, der von mal zu mal ausartet. Unheimlich ist, dass in der gleichen Straße, in der sich Jón und Guðrún und Þórður und Sigriður sich gegenseitig beharken, ein Haus abgebrannt ist. Die Gerüchte sind schnell verbreitet und angeblich sei Þórður der Brandverursacher, was aber längst polizeilich abgeklärt ist und nicht stimmt. Alles beginnt damit, dass der Hund von Þórðurs Familie tot aufgefunden wird. Die Nachbarsfamilie wird beschuldigt, da der Labrador in ihrem Garten gern Löcher buddelt und in die Beete kackt. Die Konflikte schaukeln sich langsam hoch, es kommt zu Handgreiflichkeiten, Zerstörung von Eigentum, Polizeieinsätzen, Beleidigungen, Anzeigen gegen die Polizei, Anzeigen der Nachbarn und dem Entschluss beider völlig genervter Familien, die Häuser trotz schlechter Immobilienlage zu verlassen. Doch dann geschieht etwas Grausames und die Kinder der Familie von Þórður finden ihren Vater erhängt in einem Nebengebäude. Es war allerdings kein Selbstmord, sondern Mord.
Inzwischen setzt sich Gunndís mit ihrem verstorbenen Vater auseinander und liest erstmals, was wirklich auf dem Schiff damals geschehen ist und sie erfährt, dass er nicht der Held war, den sie sich erträumt hatte. Dass er allerdings keine Schuld an dem Brand trägt, wird erst später geklärt.

Diese drei so weit auseinander liegenden Handlungsstränge fügt Yrsa Sigurdardóttir am Ende zu einem zusammen und alle Puzzleteile fallen nacheinander an die richtige Stelle. Als Lesender bleibt man lang im Ungewissen und muss beim Lesen durchhalten, denn das spannende Ende lohnt sich allemal.