Julia Engelmann: Himmel ohne Ende, Diogenes Verlag, Zürich 2025, 336 Seiten, €25,00, 978-3-257-07323-2
„Dann setzte ich mich an mein Fenster und schaute in das dunkle Bau des Himmels und dachte daran, wie es wohl wäre hineinzuspringen.“
In der Phase, in der sich nachdenkliche Jugendliche fragen, wer will ich eigentlich sein oder wer bin ich wirklich, treffen Lesende die Ich – Erzählerin dieses feinen Romans: die fünfzehnjährige Charlotte, genannt Charlie. Mehr als ein Jahr begleiten sie sie, erfahren so einiges über ihre Zweifel, schauen tief in ihr Innenleben und verstehen, warum sie sich appetitlos immer mehr in sich zurückzieht, ihren Körper auf Zeitlupe stellt, langsam verstummt.
Charlies Vater verließ die Familie, ohne sich umzuschauen, da war sein Kind sieben Jahre alt. Für Mutter Helene war er ab da nur der Feigling. Die Kleinfamilie hat nicht viel Geld, doch Mutter und Tochter sind ein gutes Team, was sich allerdings ändert, als der Italiener, der neue Lebenspartner der Mutter auftaucht. Charlies langjährige Freundin Kati wendet sich, nachdem Charlie völlig überraschend im Unterricht weint, auf eine fiese Weise einer anderen Mitschülerin zu und Charlie knabbert mehr als je zuvor an ihren Fingernägeln. Sie ist in ihren Mitschüler Mikolaj heimlich verliebt, schaut gern die kitschige Serie „Liebe auf Umwegen“ und kuschelt mit ihrem Meerschweinchen Markus. Nach sechs langen Wochen Sommerferien, in denen Charlie so gar nichts unternimmt und sich vor dem neuen Schuljahr grault, steht dann der lebensfrohe, hochaufgeschossene und blonde Kornelius, dem gleich der Spitzname Pommes verpasst wird, als neuer Schüler in der Klasse. Er wird endlich Helligkeit in Charlies Leben bringen, dabei ist sein eigenes vom Unfalltod der älteren Schwester überschattet.
„Dass wahrscheinlich alles nur wegen Pommes besser geworden war. Dass ich der Mond war und er die Sonne, der Licht auf mich warf, damit ich leuchtete.“
Doch Charlie wird sich auch aus dieser passiven Position befreien und die Glasscheibe zwischen sich und der Außenwelt durchbrechen. Mit ihrem neu entdeckten Selbstbewusstsein, ihren Erfahrungen und der nicht unbelasteten Freundschaft zu Pommes in diesem einen Jahr wird sie sich ganz neu erfinden. Endlich spürt sich den Moment der Zufriedenheit mit sich und ihrer Umwelt und immer wieder mischt sich aber auch Melancholie in diese wertvollen Augenblicke. Und das ist die Stärke dieses Romans von Julia Engelmann. Die Berliner Autorin schreibt in ihrem berührenden Coming-of-Age-Roman ganz nah am Leben entlang und sie trifft sicher mit ihrer auch poetischen Sprache ganz wirklichkeitsnah den Nerv vieler Jugendlicher.