Jana Stieler: Brackwasser – Stille Wasser sind tief. Und manche sogar tödlich … , Limes Verlag, München 2025, 368 Seiten, €17,00, 978-3-8090-2792-8
„Ich bin Jägerin und Gejagte zugleich. Mein einstiger Zufluchtsort, dieses Haus, entpuppt sich als Falle. Ich lebe hier mutterseelenallein. Kaum jemand würde es mitbekommen, wenn mir etwas geschähe.“
Svea erbt das Haus ihres Onkels Sören, das unweit der Schlei mitten im Wald steht. Eigentlich wollte sie nicht in ihren Heimatort zurückkehren, was ihr immer mehr bewusst wird, als sie ihre ersten Zusammentreffen mit den spießigen wie lieblosen Eltern, Schwester Fenja und Bruder Ole hinter sich bringt. Svea glaubt nicht, dass ihr Onkel Sören, der Suizid begangen hat, ihre einst beste Freundin Julia getötet hat. Als jedoch ein Schienbeinknochen von Julia, die vor siebenundzwanzig Jahren verschwunden ist, im Wald aufgetaucht ist, beschuldigt die Polizei den Onkel und legt Beweise vor.
Jana Stieler wechselt zwischen den vergangenen Geschehnissen als Julia und Svea sechzehn Jahre alt waren und der Gegenwart hin und her. Und sie erzählt aus der personalen Perspektive von Svea, Torge, ihrem dreizehnjährigen Neffen, und Gemma, der Mutter von Julia. Svea indes spürt, wenn sie in den Wald schaut, dass sie hier keine innere Ruhe finden wird. Ihr Tinnitus beschleunigt ihr Unwohlsein und die Tatsache, dass ihre jüngere Schwester Fenja mit Erik, einem brutalen Prepper und Anhänger von Verschwörungstheorien, und ihren zwei Kindern unter einfachsten, wie ärmlichsten Umständen im Wald haust. Die kleine Hütte stellen ihnen ihre Gönner Malte und Rena zur Verfügung, die dafür jedoch Gehorsam erwarten. Fenjas Sohn Torge hat sich oft bei Sören verkrochen, um heimlich Mangas zu lesen, und sich mit seinem Schulfreund Ahmed zu treffen. Nach und nach lernen die Lesenden das gesamte Umfeld von Svea, Torge und Gemma kennen. Alle Personen sind durch die damaligen Geschehnisse miteinander verbunden und niemand weiß wirklich, warum Julia ums Leben kommen musste. Zwar hatten sich Svea und Julia an diesem Abend damals heftig gestritten, ein anonymer Zeuge hatte dies ausgesagt, aber Svea weiß ganz genau, dass sie, auch wenn sie betrunken war, ihrer Freundin nichts angetan hat. Doch warum findet die Polizei Julias restliche Knochen, die ausgerechnet in eine Decke von Sören eingewickelt ist, am Tatort? Dass sie mit einem Stein erschlagen wurde, wissen nun alle und fragen sich, was damals passiert ist. Svea, die immer noch glaubt, dass nur Erik der Mörder von Julia sein kann, rückt immer mehr ins Zentrum einer perfiden Verschwörung, denn an ihre Tür wird das rote Wort Mörder geschmiert und jemand hat eine Puppe mit Sörens Aussehen in den Schuppen gelegt, in dem er sich erhängt hat.
Den Kontakt zu Svea sucht nicht nur Torge, der allerdings von seinen Gefühlen hin- und hergerissen ist, auch die aggressive Fenja braucht die große Schwester, um das Leben ihrer Tochter, die an Diabetes erkrankt ist, gegen den Willen der Prepper, die kein Insulin verabreichen wollen, zu retten.
Als Fenja, die ihren Mann verlassen wollte, dann erstochen im Wald gefunden wird, muss Svea sich um die Kinder kümmern und endlich herausfinden, wer die beiden Frauen, Julia und Fenja, so gehasst hat, dass er sie beseitigen musste.
Jana Stieler erzählt von dysfunktionalen Familien, Menschen, die aus den sozialen Systemen herausfallen und sich ständig als Opfer fühlen, weil sie selbst eine traurige Kindheit hatten, aber auch von Lügen, Egoismus und dem Mief in kleinen Orten. Dabei spielt die anmutige Landschaft von Schleswig – Holstein eine wichtige Rolle und die literarischen Figuren von Jana Stieler, die alles andere als eindimensional sind, und das macht diesen auch psychologisch gut durchdachten Krimi so spannend.