Ally Kennen: Wie Großvater ein Wikinger wurde, Aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung, Deutscher Taschenbuch Verlag, junior, München 2012, 300 Seiten, €14,95, 978-3-423-76053-9\r\n

„Opas Leiche zu entführen und in einem brennenden Boot übers Meer hinaustreiben zu lassen, fände Mum bestimmt noch viel unpassender, dachte Carla beklommen.“

Für den Großvater sind seine drei Enkel das schönste Geschenk, das seine Tochter Freya ihm machen konnte. Den ruhigen Woody, die clevere Carla und die immer alles gleich ausplaudernde Penny liebt er über alles. Auch den älteren, schwierigen Gus, den ersten Sohn seines Schwiegersohnes, mag er. Mit allen vier ist er mit dem Boot hinausgefahren, hat sie in seiner Werkstatt basteln lassen und er hat ihnen seine Wikingergeschichten erzählt, denn der Großvater ist lange Zeit zur See gefahren. Ein Opa wie aus dem Bilderbuch. Doch nun hat die 13-jährige Carla ihren Großvater in der Werkstatt scheinbar schlafend gefunden. Schnell wird klar, Opa ist tot.

In Opas Keksdose findet Carla, die schon immer wild auf Schokoladenkuchen ist, einen persönlichen Brief. Immer hat der Großvater behauptet, er stamme von den Wikingern ab. Und so schreibt er seiner Enkelin, dass er auch gern eine Bestattung wie ein richtiger Wikinger hätte. Neben der biestigen Oma im Grab zu liegen, wäre für den Großvater eher eine Strafe, denn seine große Liebe hatte er, das entdeckt der Leser erst viel später, ganz woanders gefunden.

Carla fasst nun mit ihren Geschwistern einen folgenreichen Entschluss. Ihr geliebter Großvater soll seine gewünschte Bestattung erhalten. Die Beerdigung findet in gut einer Woche statt. Nicht viel Zeit, um einen Leichnam zu stehlen, auf ein Boot zu hieven, die Flut abzupassen, Sarg und Boot in der Kälte hinauszufahren und in Brand zu stecken. Woody, Carla und Penny müssen jedenfalls dicht halten und Pläne schmieden. Wie kompliziert es werden wird, dämmert den Kindern als sie zur Probe nur ein kleines Boot aufs Wasser bringen und anzünden.
Carla hat am Ende der Aktion eine verbrannte Hand, Woody wäre beinahe im eiskalten Wasser ertrunken und die gesamte Militärstaffel nebst drei Hubschraubern ist hinter ihnen her, denn das Feuerboot hat Alarm ausgelöst. Die Familie Moon wohnt zwar in Gundy Bay, jedoch in der Nähe des Kernkraftwerkes Sinkworthy mit erhöhter Sicherheitsstufe gegen terroristische Anschläge.

Carla hat nur eine Chance, die Sache durchzuziehen, sie muss lügen, was das Zeug hält und stehlen. Und sie benötigt Helfer. Da kurz vor der Beerdigung am Freitag der große Karnevalsumzug der Kinder stattfinden soll und Ern mit seinen Freunden in Großvaters Werkstatt ihren Umzugswagen trotz Trauer aufbauen dürfen, ist schon mal ein Traktor und ein Wagen vorhanden. Viele Kinder, die am Karneval teilnehmen, mochten Carlas Großvater und alle willigen ein, bei der absolut abgedrehten Großvater-Aktion mitzumachen.

Immer wenn Carla vor unlösbaren Problemen steht und die häufen sich von Stunde zu Stunde, meldet sich in ihrem Hinterkopf Großvaters besonnene Stimme und hilft ihr ein bisschen. Aber in Carlas Magen bohrt auch das schlechte Gewissen den entnervten und trauernden Eltern gegenüber, die bereits eine Feier für den Opa nebst Verwandtschaft, Bekannten und Freunden organisiert haben.

In einem temporeichen Showdown erfüllen die Kinder vor dem Spektakel des Karnevalsumzuges dann Opas innigsten Wunsch. Bei allem Zusammenhalt der Kinder wäre jedoch alles noch schief gegangen, wenn nicht in letzter Sekunde der fast erwachsene Gus und sein Freund eingegriffen hätten.

Ally Kennen hat sich eine wirklich ungewöhnliche, aber logistisch durchaus durchführbare, etwas zu Detail versessene Geschichte ausgedacht. Die Akteure sind die Kinder und sie stoßen an unumstößliche Grenzen, die allein schon mit ihrem Alter und ihrem möglichen Aktionsradius zu tun haben. Der Verlust des geliebten Opa setzt bei den Enkeln und Freunden viele Kräfte frei und eine Menge Lügengeschichten, die sich die temperamentvolle Carla blitzschnell einfallen lassen muss. Dabei erzählt die britische Autorin gefühlvoll von der engen Beziehung zwischen Großvater und Enkelkindern, von Familienstrukturen, die nicht immer glückselig sein können und starken Kindern.