Louise Pelt: Die Anatomie der Einsamkeit, Lübbe Verlag, Köln 2025, 447 Seiten, €22,00, 978-3-7577-0103-1
„Sie war allein, nicht nur auf dieser einsamen Insel.
Sondern überall in der Welt.
Bisher hatte sie es vielleicht nicht geahnt, aber es hatte sich nie in ihr Bewusstsein vorgedrängt, und vor allem hatte es ihr nicht viel ausgemacht.“
Bereits in ihrem letzten Roman „Die Halbwertzeit von Glück“ ( Eine Rezension befindet sich in diesem Literaturblog.) läuft die spannende Handlung aus verschiedenen Richtungen, zeitlich wie räumlich, auf eine unerwartete Verbindung zwischen den weiblichen Hauptfiguren zu. Auch in diesem neuen Roman bleibt Louise Pelt dieser Erzählmethode treu. Erneut setzt sich die Handlung aus der personalen Erzählperspektive betrachtet aus verschiedenen Lebenssituationen von Frauen zusammen, die alle etwas schicksalhaft verbindet.
Da ist Olive Brown, die im heutigen London lebt und als Journalistin bei VOICES eher langweilige Texte schreibt. Ihre sexuelle Beziehung zu einem empathielosen Mann langweilt sie. Ihre Hoffnungen auf eine neue interessantere Position in der Zeitung verhindert allerdings ihre Vorgesetzte. Olive soll eine gute Story, die auch etwas über sie selbst aussagt, anbieten, dann könnte man weiterreden. Die junge Frau liebt ihre sehr alte Großmutter Poppy, die allerdings krankheitsbedingt, nicht mehr sie selbst ist. Als Geschenk hatte die Großmutter der Familie vieles vermacht, u.a. einen alten dänischen Kompass für Olive. Als nun in Hamburg eine im Keller versteckte Leiche auftaucht, bei der ebenfalls ein fast identischer Kompass gefunden wurde, wittert Olive eine Chance auf einen spannenden Artikel. Doch will sie wirklich in der Vergangenheit von Poppy herumstöbern? Und dann ist da noch Claire, eine aufstrebende Rechtsanwältin aus New York, deren Geschichte im Jahr 2000 beginnt. Sie hat ihre Eltern mit siebzehn durch einen Hausbrand verloren und auch ihre jüngere Schwester Iris, die nach dem Verlust der Eltern auf die schiefe Bahn geraten ist. Claire glaubt nun, nach langen Jahren harter Arbeit endlich die Liebe ihres Lebens gefunden zu haben. Doch Will, ebenfalls Anwalt in ihrer Kanzlei, entpuppt sich als verheiratet und Familienvater. Als Claire erfährt, dass ihre Schwester Iris, die sie mindestens zehn Jahre nicht gesehen hat, verstorben ist, reist sie, auch auf der Flucht vor der Enttäuschung über Will, auf eine namenlose, kleine Insel an der Westküste, auf der Iris in Einsamkeit gewohnt hat.
Einsamkeit ist ein Stichwort, dass dem Titel gemäß immer wieder auftaucht. Einsam in der Großstadt, einsam in einer Familie, die eigentlich nur Gutes will, einsam im Job und auf der Karriereleiter, einsam auf einer namenlosen Insel und einsam mit einem Partner. Gegen die Einsamkeit wird natürlich die Zweisamkeit gesetzt, aber auch die Hinwendung zu einem Tier, bei Claire wird es ein kleiner Fuchs sein.
Olive reist mit dem Fotografen Tom nach Deutschland, den sie eigentlich nicht mag. Natürlich werden die beiden nach einigen Auseinandersetzungen ein Paar und ergänzen sich auch gut bei den Recherchen. Verschiedene Fragen müssen beantwortet werden, zum einen, warum Poppy dänisch sprechen kann und zum anderen, warum Poppy auf Fotos eindeutig ein BDM – Mädchen war. Claire wird Frankie, einer geheimnisvollen Frau begegnen, der das Haus auf der Insel gehört. Und Olive wird herausfinden, dass die männliche Leiche, die nach gut siebzig Jahren gefunden wurde, der Vater ihrer Großmutter Polly ist, deren Mädchenname Mathilde Beckmann war.
Auch in diesem Roman bestehen zwischen allen Frauenfiguren Verbindungen, die Louise Pelt geschickt und überzeugend zusammenfügen wird.
Einige Kürzungen hätten der Geschichte gutgetan, um die Handlung doch schneller voranzutreiben.
Und natürlich fragen sich Lesende bereits nach fünfzig Seiten, wohin die Reise dieser Geschichte gehen mag, wenn man die Erzählmethode nicht durchschaut. Denn die Spannung resultiert auf der Auflösung und Rekonstruktion der Verbindungen zwischen den Frauenschicksalen am Ende.
Empfohlen sei Geduld beim Lesen, es lohnt sich!