Anja Jonuleit: Sonnenwende, Penguin Verlag, München 2024, 336 Seiten, €18,00, 978-3-328-60337-5
„Und auf einmal war sie sich sicher, dass sie hier die Wahrheit finden würde, dass sie hier in Riga auf irgendetwas stoßen würde, etwas, das sie bisher noch nicht beachtet hatte, einfach weil es sich irgendwo inmitten dieser Masse ungeordneten Rohmaterials befand.“
Wer den ersten Band „Kaiserwald“ der Dilogie nicht gelesen hat, für den könnte es doch schwierig werden, all die vertrackten Konstellationen zwischen den Figuren und die zeitlich unterschiedlichen Geschehnisse, auf die sich die Handlung bezieht, zu verstehen. Es empfiehlt sich, doch den ersten Teil zuerst zu lesen.
Anja Jonuleit jedenfalls erzählt ihren Kriminalroman aus zwei Perspektiven. Zum einen berichtet Falk von Prokhoff, zum anderen seine Ehefrau Mathilda, die aber eigentlich Penelope heißt. Penelope hat der Armee, in der sie als Gebirgsjägerin ausgebildet wurde, den Rücken gekehrt, um endlich herauszufinden, was mit ihrer Mutter vor 25 Jahren geschehen ist und was es mit dem Mord an der fünfzehnjährigen Alise zu diesem Zeitpunkt in Riga auf sich hat. Auch Penelopes Mutter, die als Lehrerin gearbeitet hat, ist in Riga verschwunden. Sie hatte dort ein Verhältnis mit Georg von Prokhoff, der als Gesandter der Botschaft tätig war. Falk ist sein Sohn. Die Prokhoffs haben einen weiteren Sohn namens Tristan und eine Tochter, Xenia. Sie war damals mit Alise befreundet. Und Xenia war es auch, die ihre Erinnerungen, zum Ärger der Eltern, in ihrem Comic „Kaiserwald“ festgehalten hat.
Offenbar hat auch Xenia Penelope einen anonymen Brief geschrieben. Der Inhalt führt dazu, dass sich die junge Frau der Familie von Prokhoff nähert. Dass sie sich allerdings wirklich in Falk verlieben wird, war so nicht eingeplant. Er hat sie einerseits aus Liebe geheiratet, aber andererseits auch aus finanziellen Gründen, denn mit einer Heirat wird ihm auch sein Erbe vom vermögenden Großvater ausgezahlt. Falks Mutter ahnt, dass Penelope ihrer Meinung nach ein falsches Spiel treibt, doch Georg vertraut sich der mutigen Schwiegertochter gern an.
Alle Figuren in diesem Roman haben etwas zu verbergen oder verschleiern vieles durch Lügen.
Nun ist wieder ein Todesfall zu beklagen. Sieglinde König, die für die Stiftung der Prokhoffs arbeitet, hat sich das Leben genommen oder wurde von der Bahnkante gestoßen. Vor ihrem Tod konnte sie noch Falk auf einige Ungereimtheiten bei den Abrechnungen hinweisen. Die Stiftung kümmert sich um landwirtschaftliche Projekte in Lettland, insbesondere um das Dorf Trís Liepas, in dem sich Ökobauern angesiedelt haben.
Als Penelope dann einen entscheidenden Fehler macht und einen Namen mit dem NATO – Alphabet buchstabiert, erkennt der Personenschützer von Falk ( Es gab einen Anschlag auf ihn, den Penelope vereiteln konnte.), dass sie nicht die harmlose Psychologiestudentin ist, die angeblich an ihrer Masterarbeit schreibt. In einem Showdown werden Falk und Penelope gemeinsam im Dorf Trís Liepas hinter den wahren Charakter der Stiftung gelangen und sie werden herausfinden, was mit Penelopes Mutter und dem Mädchen Alise wirklich geschehen ist.
Spannend zu lesen und erstaunlich aktuell ist diese Dilogie , wenn man an die Umsturzversuche der rechtsradikalen Gruppe um Prinz Reuss denkt, die die demokratische Grundordnung ablehnt.