Petra Johann: Der Steg, Aufbau Verlage, Rütten & Loening, Berlin 2024, 399 Seiten, €18,00, 978-3-352-01010-1
„Wäre dieser Abend nicht gewesen, säße ich jetzt nicht hier. Ich hätte Flo nie kennengelernt, aber dafür wäre ich nicht für den Tod eines Menschen verantwortlich. Ich wäre noch immer die Frau, die ich war, ……“
Priska Jansen und ihr Mann Florian, beide Mitte dreißig, sind nach ihrer glücklichen Hochzeit gleich nach Schleswig – Holstein gezogen. Direkt am Plöner See in einem kleinen Dorf haben sie ein renovierungsbedürftiges Einfamilienhaus kaufen können und nun ist fast alles, bis auf den Garten, fertig. Florian konnte als Schreiner vieles selbst erledigen und auch seine guten Kontakte spielen lassen. Priska als gestandene Businessfrau ist mit ihrer Consultant – Firma vom Süden in den Norden gezogen. Und nun haben die beiden Priskas Halbbruder Moritz und seine neue sechsundzwanzigjährige Freundin Anna, die auch noch Veganerin ist, fürs Wochenende eingeladen.
Petra Johann erzählt ihren aufregenden Thriller aus drei Perspektiven. Zum einen kommt Priska zu Wort, dann Anna und aus der personalen Erzählebene, alles was die Polizeiarbeit betrifft.
Denn natürlich geschieht etwas Schreckliches und davon erfahren die Lesenden gleich zu Beginn der Handlung. Als Priska nach ihrem Lauf durch den Forst zurückkehrt, steht überraschend ein Mann auf dem Bootssteg. Er wird jämmerlich ertrinken und Priska, die beobachtet wurde, wird seinen teuren Kaschmirmantel am folgenden Tag verstecken. Denn genau nach diesem Ereignis stehen Moritz und Anna vor der Tür.
Interessant ist nun, dass die Lesenden in Priskas Innenleben schauen können und eine völlig ambivalent handelnde Person kennenlernen. Lang steht die Frage im Raum, wer ist nun der Tote auf dem Grund des Sees? Warum konnte er nicht schwimmen? Was ist eigentlich geschehen? Und wie wird sich Priska verhalten, wenn die Polizei die Leiche finden wird?
Als dann Anna den Toten entdeckt, nehmen der kurz vor der Pension stehende Kriminalkommissar Henning Niebel und die sehr junge Kriminalkommissarin Silja Brandt die Ermittlungen auf. Ist Niebel an dem Punkt, dass er kaum noch Empathie für die Toten hat, so arbeitet Silja Brandt voller Eifer an ihrem ersten Fall, der offenbar ein Unfall war.
Der Tote, und das weiß zu Beginn nur Priska, ist ihr Vater Volker, ein charismatischer Geschäftsmann, der allerdings eine Affäre nach der anderen hatte. Als Priska dreizehn Jahre alt war, kam es zur Scheidung der Eltern, denn Volker Fischer hatte eine Zweitfamilie in Leipzig mit seinem Sohn Moritz. Doch im Laufe der Zeit kamen sich Priska und Moritz näher und wurden Freunde.
Alle Emotionen kochen, zumindest bei Priska hoch, als auch die aktuelle Freundin des Vaters bei ihr im Garten steht und diese auch noch verkündet, dass sie schwanger ist.
Lange können die Lesenden, trotz vieler Hintergrundinformationen, nicht verstehen, warum Volker Fischer sterben musste. Als die Polizei sich zurückzieht und Priska aufatmet, erhält sie einen Erpresserbrief mit einer Geldforderung. Angeblich habe man sie bei der Tat gesehen. Doch wer steckt dahinter? Der alte demente Nachbar, der ständig am Fenster sitzt oder die neugierigen Nachbarinnen, die Priska sowieso auf den Nerv gehen? Priska muss herausfinden, wer etwas weiß.
Wie immer hat Petra Johann eine hochspannende, psychologisch interessante Handlung mit überzeugenden Protagonisten erdacht. Die Lesenden sehen in die seelischen Abgründe einer unbescholtenen Frau, die sich selbst belügt.
Absolut empfehlenswert!