Veit Heinichen: Beifang – Commissario Laurenti hat noch einiges zu tun, Piper Verlag, München 2024, 300 Seiten, €22,00, 978-3-492-07063-8

„Doch wenn Proteo Laurenti eines gar nicht ausstehen konnte, dann waren es schlechte Lügen. Sie waren nur ein Beweis dafür, dass jemand sein Gegenüber nicht ernst nahm. Raccaro hätte wissen müssen, dass sich bei den bisherigen Ermittlungen auch Klarheit über die Lebensumstände von Antonia d’Antimi ergeben hatten.“

Auch patente Commissarios werden älter und so wurmt Proteo Laurenti das Schreiben des Innenministeriums, bei dem er seinen Antrag für den künftigen Ruhestand einreichen muss. Dabei fühlt er sich bestens und ist genervt, wenn ihn nun jeder fragt, was er nach seiner Pensionierung so vorhabe. Jetzt gilt es jedoch, einen neuen Fall zu lösen und der hat es in sich, denn in Triest gibt es genug Kriminelle, die leichte Strafen verbüßen und danach wieder im Hintergrund die Strippen ziehen.
Veit Heinichen gewährt zumindest zu Beginn seinen Lesenden einen kleinen Vorsprung. Sie wissen, dass der russische Waffenhändler Fjodor Iljin mit Hilfe von Serben aus Mailand trotz Fußfessel fliehen kann. Ziel ist es, Iljin vor der Auslieferung an die USA zu retten und ihm die Ausreise über Kroatien und Serbien zu gewährleisten. Wer da wen geschmiert hat, Nebensache. Wichtig ist, dass Iljin schnell die Straßen verlassen muss und mit Hilfe einer erfahrenen Skipperin seine Flucht über Wasser fortsetzen kann. Außerdem liegt im Hafen von Triest auch noch auf Steuerzahlerkosten die konfiszierte Jacht eines russischen Oligarchen, die ausgerechnet an diesem Abend beschädigt wird.
Als Proteo Laurenti am kommenden Tag beim harmlosen Harpunentauchen dann auf eine Leiche stößt, wird schnell klar, dass der Tod dieses Menschen mit der Jacht und den Russen im Zusammenhang steht. Per Genickschuss wurde Maria d’Antimi, die Skipperin, hingerichtet. Ihre Zwillingsschwester Antonia arbeitet für den vierundachtzigjährigen, einflussreichen Raffaele Roccaro, für den sie seine Projektentwicklungsfirma leitet. Momentan geht es um ein Bauprojekt, bei dem es um eine touristisch wirksame Seilbahn geht. Raccaro, der beste Beziehungen zum Bürgermeister und korrupten Amtsträgern hat, ist ein guter Bekannter von Laurenti, der durch seine Netzwerke der Justiz fast immer entwischen konnte. Er hat für Iljin die Flucht organisiert und sein Handlanger, das wird sehr schnell offenbar, hat Maria, da sie ihn erkannt hat, erschossen. Draško Stojanović betont, dass er Raccaros Befehl, alles ohne Zeugen durchzuziehen, nur befolgt habe. Doch nun ahnt Raccaro, dass Antonia in ihrem Kummer um die Schwester kaum mehr loyal an seiner Seite stehen wird, wenn sie hinter seine Machenschaften und Geschäftsgebaren kommen würde. Ein weiterer Mordauftrag an Draško Stojanović wird erteilt, allerdings ahnt er nicht, dass auch sein Tod eingeplant ist.
Laurenti jedenfalls hält sich wie immer nicht so korrekt an die Dienstwege und bittet dank guter weiblicher Kontakte nach Kroatien um Informationen und arbeitet wie gewohnt mit seinen Team äußerst hektisch an diesem Fall, denn durch die Geschichte um Iljin, der wohlbehalten in Moskau angekommen ist, schaltet sich auch noch der Geheimdienst ein.
Und dann ist da auch noch Ehefrau Laura, die bald erben wird und wiedermal ein gutes Geschäft zu einem äußerst günstigen Preis wittert. Auf dem Markt ist erst seit Kurzem eine große Stadtvilla aus dem 19. Jahrhundert in San Vito mit Park. Laurenti hat wenig Lust auf die Stadt, zumal er nun an der Küste wohnt und jeden Morgen schwimmen gehen kann. Zwar ist Triest etwas ruhiger geworden, aber Laurenti hatte eher nach seiner Pensionierung auf lange Reisen mit Laura gehofft und nicht auf ein Leben mit Kindern und Enkeln in einem gemeinsamen Haus.
Wie immer spiegelt sich in Veit Heinichens Krimis die gesellschaftliche Lage in Italien, aber auch in der EU. Korruption, sich steigernder Nationalismus und Seilschaften von kriminellen Drahtziehern in der Politik und Wirtschaft bestimmen den Alltag auch in der wunderbaren Stadt Triest. Immerhin wird das Land von Postfaschisten regiert und da ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn Laurenti, auch zum Kummer Mariettas, seiner besseren Hälfte in der Questura,
bald die Segel streicht. Oder doch nicht?
Veit Heinichen hat erneut einen realitätsnahen Krimi geschrieben, in dem für die Lesenden kein Katz-Maus-Spiel stattfindet, sondern eher die Frage im Raum, wie kann Laurenti an die Hintermänner der Verbrechen gelangen.
Spannend!