Katherine Webb: Die Morde von Salisbury, Aus dem Englischen von Frank Dabrock, Heyne Verlag, München 2024, 512 Seiten, €12,00, 978-3-453-42938-3
„Lockyer schwieg, während er Trishs Worte sacken ließ. Dass er vielleicht versucht hatte, einen Mord aufzuklären, der nie geschehen war. Eine Serie von Morden, die nie geschehen waren – oder sich jedenfalls nicht beweisen ließen. Eine bleierne Schwere ergriff von ihm Besitz. Doch dann wurde er plötzlich wütend.“
Es ist Pandemie und im Juli überzieht eine Hitzewelle das Land. Die ausgedörrte Landschaft rund um Salisbury bringt eine Leiche zum Vorschein, deren Identität schnell geklärt werden kann. Es handelt sich um den vor neun Jahren verschwundenen Lee Geary. Offenbar wurde dem Toten auf den Kopf geschlagen, wie der Pathologe feststellte, und dann wurde er lebendig eingegraben. Detective Inspector Matt Lockyer und DC Gemma Broad nehmen sich des Falls an und verbinden den Tod Gearys sofort mit dem angeblichen Selbstmord von Holly Gilbert, die mit Drogen und Alkohol im Blut von einer Brücke gestürzt ist. Seltsamerweise sind alle engen Bekannten, nun auch Lee Geary, der Zwanzigjährigen nach ihrem gewaltsamen Tod innerhalb von drei Monaten gestorben. Da ist der charismatische Drogenhändler Kingsley-Jones Ridgeway, er ist in einem Parkhaus aus einer geringen Höhe gefallen und die aggressive Stefanie Gould, die ertrunken ist. Geary, Ridgeway und Gould wurden damals von der Polizei kurzfristig festgenommen und befragt, denn sie waren mit Holly an ihrem Todestag unterwegs. Gefunden wurde die Leiche von Lee Geary in der Nähe der Old Hat Farm. Hier lebte Holly, die nach dem Tod der Mutter kaum ein halbes Jahr bei ihrem leiblichen Vater, Vincent McNeil, wohnte. Vince ist mit Trish verheiratet und beide haben einen Ziehsohn, Jason, der Synästheriker ist. Wie sich die Farm finanziert, ist den Ermittlern nicht ganz klar, denn Vince und Trish nehmen kurzzeitig Menschen, die seelisch ihre Hilfe benötigen, auf. Matt Lockyer muss sich selbst um den Hof der Eltern kümmern, denn seine Mutter hatte sich im Krankenhaus an Corona angesteckt und leidet nun an einer Folgekrankheit. Wie sein Vater John Hof und Tiere allein bewirtschaftet, wird für Lockyer zum Problem. Doch dann ergreift die Wanderarbeiterin Jody Ellen Upton die Initiative und steht John zur Seite. Etwas misstrauisch lässt Lockyer sie polizeilich überprüfen. Privat schlägt sich der zweiundvierzigjährige Ermittler auch noch mit dem zu frühen Tod seines Bruders Christopher herum und einer weiteren Leiche ( ohne Mörder ) in seinem Garten. Im Zentrum allerdings steht der Fall Holly und natürlich die Aufklärung des Mordes an Lee Geary.
Beim Aufrollen des Colde Chase befragen die Ermittler zuerst die Schwester von Lee Geary und müssen feststellen, dass der riesige Mann sehr gutmütig und somit leicht beeinflussbar war und über den Verstand eines Kindes verfügte. Angeblich war er kurz vor seinem Tod sehr aufgebracht gewesen und hielt sich wohl auch kurzzeitig auf der Old Hat Farm auf.
Je tiefer die Ermittler in den Familiengeschichten graben, um so mehr erfahren sie über die Vergangenheit von Vincent McNeil, der neun Jahre wegen Totschlags im Gefängnis saß. Außerdem kommt heraus, dass Trish, Vincents Frau, die Tante von Holly ist. Wie all diese persönlichen Verwicklungen, auch Jasons gewaltsamer Hintergrund spielt eine Rolle, dann zum Erfolg der Ermittlungen und der Klärung der Morde führen wird, liest sich absolut spannend.
Da dieser Krimi ein Fortsetzungsroman ist, beziehen sich auch Handlungsstränge und Gedankengänge der Hauptfiguren auf vergangene Episoden in den Leben der Ermittler, was für Neueinsteiger nicht so ganz einfach zu verstehen ist. Und doch liest sich dieser Seiten starke Krimi unterhaltsam, zumal er an die familiären Konflikte in der Pandemie erinnert und vor allem atmosphärisch einen Sommer einfängt, der allen Beteiligten auf Seele und Gemüt geschlagen hat.
Weitere Romane von Katherine Webb sind auf dieser Website zu finden.