Lina Areklew: Schärentod, Aus dem Schwedischen von Angela Beuerle, Goldmann Verlag, München 2024, 592 Seiten, €12,00, 978-3-442-49525-2
„Es tat so weh, daran zu denken, dass alles bald implodieren und die Wahrheit herauskommen würde. Dennoch war der Schmerz darüber nicht einmal annähernd so groß, wie die Angst, was Fredrik tun würde.“
Kriminalkommissarin Sofia Hjortén hat ihre Tochter Astrid geboren. Auch wenn sie total glücklich mit ihrem Kind ist, will sie unbedingt bald wieder arbeiten. Nach einem halben Jahr entscheidet sie sich, halbtags wieder auf die Wache zu gehen. Babysitter werden ihr Nachbar Tord, der völlig vernarrt in das Kind ist und Kaj, der offizielle Vater, gemeinsam mit seiner Frau Mette. Beide hatten sich für eine offene Ehe entschieden, aber das Verhältnis von Sofia und Kaj, dem Profiler, der bedeutend älter ist, hat nicht lang gehalten. Aber dann ist da noch Fredrik. Auch diese Beziehung war von kurzer aber heftiger Dauer. Fredrik hat sich nach seinem Unfall für die ihn umsorgende Ida entschieden.
Wer den letzten Band „Schärensturm“ von Lina Areklew gelesen hat, weiß, dass Fredrik der biologische Vater von Astrid ist. Allerdings hatte sich Sofia dazu entschieden, einfach Kaj als Vater anzugeben. Dieses ganze familiäre Beziehungsdrama um die kleine Astrid spielt in dieser Krimihandlung eine tragende Rolle. Detailliert taucht die schwedische Autorin auch in Fredriks Alltagsleben ein und zeigt, wie anfällig das junge Paar für alle möglichen Einflüsse von außen ist. Fredrik will seine Ausbildung bei der Polizei beginnen und läuft so, weil er auch zusätzlich als Wachmann arbeitet, Sofia über den Weg.
Als diese wieder ihre Arbeit aufnimmt, trifft sie zwei Jungen, die in den Schären in einer Grube beim Geochaching eine abgehakte Hand gefunden haben.
Abgesetzt von der Gegenwart berichtet eine Erzählerstimme von den Geschehnissen 1959 rund um die Grube, in der Erz abgebaut werden sollte. Auch hier wird von einer dysfunktionalen Familie erzählt. Bertil Sondell, ein Bauer und Besitzer der Grube, ist ein Säufer, der seine Frau Sonja und seinen Sohn Axel misshandelt. Auf dem Hof wohnt für eine kurze Praktikantenzeit der junge Gunnar Erlandsson. Gemunkelt wurde im Ort, dass Sonja etwas mit ihm hätte. Ein Irrtum.
Als dann nach dem Fund der verwesten Hand in der Gegenwart nach einer vermissten Person gesucht wird, glaubt die Anwältin Vanja Branth, dass nur ihre Schwester Sonja dies sein könnte.
Aber nicht nur Sonja ist verschwunden, auch Axel scheint seit 1959 wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Da das Labor ewig braucht, um herauszufinden, wem die Hand gehört, verliert sich die Polizeiarbeit in vielen Spekulationen. Und dann geschieht wirklich ein Mord. Der fast hundertjährige, allein lebende Bertil wird in seinem heruntergekommenen Haus erstochen.
Zwei Dramen schildert Lina Areklew. Zum einen geht es um die grausigen Geschehnisse auf Bertils Hof, zum anderen um die Frage, wie Fredrik damit umgeht, dass er eigentlich der Vater von Astrid ist und in der neuen Beziehung mit der labilen, kaum konfliktfähigen Ida keine Entscheidungsfreiheiten hat. Die fast vierzigjährige Ida hat ein Haus von ihren Eltern als Geschenk bekommen, sie plant die Hochzeit mit ihrer Mutter und will, dass Fredrik nicht arbeitet und somit keinen Kontakt zu Sofia aufnimmt. Als Fredrik dann Astrid sieht, weiß er sofort, dass sie sein Kind ist. Wie die Geschichte mit Ida weitergeht, wird sicher erst der nächste Band offenbaren.
Sofia und das Ermittlerteam werden Bertils Fall lösen und vor allem herausfinden, wem die Hand gehört und was damals geschehen ist.
Spannend bis zur letzten Seite liest sich dieser schwedische Krimi, der sich eher auf die handelnden Figuren und deren Probleme orientiert als auf die akribische im Detail ausufernde Polizeiarbeit. Wobei der Fall rund um die Hand eine äußerst interessante Wendung nimmt.
Wer nun neugierig geworden ist, sollte auch den Vorgängerband von Lina Areklew „Schärensturm“ lesen oder diese Besprechung: http://karinhahnrezensionen.com/lese24/lina-areklew-schaerensturm/