Christine Brand: Vermisst – Der Fall Anna, Blanvalet Verlag, München 2024, 544 Seiten, €18,00, 978-3-7645-0828-9
„ Und doch … es zerreißt sie fast. Sie steht hier, nur zwei Meter vom Schlafzimmer eines Mannes entfernt, der möglicherweise mehrere Frauen getötet hat und bis heute damit davongekommen ist. Sie kann nicht einfach umdrehen und weggehen … „
Per Tinder lernt die Berner Ermittlerin Malou Löwenberg in ihren seltenen freien Tagen den gut aussehenden Sozialarbeiter Dario Forster kennen. Ein One-Night-Stand sollte es werden, doch dann erzählt der ahnungslose Dario von seiner Mutter Anna, die ihn vor dreißig Jahren von einem Tag auf den anderen verlassen hat. Er weiß jedoch nicht, dass er bei Malou an eine Polizistin geraten ist, die auch ihre biologischen Eltern nicht kennt. Die sechsundzwanzigjährige Anna Forster lebte damals ein unauffälliges Leben, arbeitete in einem Lebensmittelladen und zog ihren Sohn allein groß. An seinem fünften Geburtstag jedoch hat sie ihn nicht vom Kindergarten abgeholt. Seit diesem Tag schreibt die Mutter dem Kind immer an seinem Geburtstag eine Ansichtskarte mit dem Satz: „Mama hat dich lieb.“ Mit Malou wagt es Dario, an seinem Geburtstag den Briefkasten zu öffnen. Keine Frage, Malou interessiert sich für diesen Fall. Sie ermutigt Dario, per Facebook auf die Suche nach seiner Mutter zu gehen. Er glaubt, hofft, dass sie lebt. Malou ist da pessimistischer.
Malou Löwenberg ist eine eigenwillige Kommissarin, die mit ihrem attraktiven Äußeren, rote Haare und Zungenpiercing, Männer anzieht, auch einen ihrer Kollegen, was sie eigentlich gar nicht beabsichtigt.
Christine Brand hat sich zu diesem ersten Krimi rund um die mutige Kommissarin Malou Löwenberg von einem Cold Case und wahren Mordfällen in der Schweiz inspirieren lassen.
Auf Darios Facebook – Anfrage melden sich unzählige Leute, auch Isabel, ein Mädchen aus München, deren Mutter sie vor sechzehn Jahren an ihrem fünften Geburtstag verlassen hat. Auch sie erhält einmal im Jahr diese Ansichtskarten mit dem gleichen Satz. Nach akribischer Polizeiarbeit und auch Darios Hilfe, der mit sich und der Welt nicht mehr klarkommt, finden sich noch mehr Kinder, die nichts von ihren Vätern wissen und von ihren Müttern an ihren fünften Geburtstagen allein gelassen wurden. Langsam entsteht das Bild von einem eitlen Täter, der seine biologischen Kinder, deren Lebenswege er ja verfolgt, beobachtet und psychisch quält. Dass Dario und Isabel Halbgeschwister sein könnten, entdeckt Malou als sie Isabel kennenlernt und bemerkt, dass sie genau wie Dario den gleich Tic, der vererbbar ist. Parallel zu diesen Fällen fühlt auch Malou sich verfolgt und sie entdeckt, dass ein Fremder ihren Adoptivvater, der an Alzheimer erkrankt ist, im Heim besucht.
Mit einer Falle hoffen die Ermittler nun den Täter, der ganz ordentlich mit der Hand seine Karten schreibt und offensichtlich eine narzisstische Störung hat, zu fassen. Allerdings scheint er in Deutschland, an der Grenze zur Schweiz zu wohnen. Und leider arbeiten die deutschen Polizeibehörden wie immer ziemlich langsam und machen nur Dienst nach Vorschrift.
Absolut spannend liest sich dieser Cold-Case-Krimi, der zwar immer wieder versucht die Lesenden auf falsche Fährten zu setzen, aber doch glaubwürdig einen Fall und dessen zeitaufwendige Lösung konstruiert. Keine Frage, dieser erste Krimi macht Lust auf mehr.