Norbert Maria Kröll: Die Kuratorin, Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2022, 301Seiten, €24,00, 978-3-218-01336-9
„Einmal haben wir, freilich nur, um uns besser kennenzulernen, miteinander geschlafen. Nun, seitdem will er mich heiraten. Dass ich keinen Mann in meinem Leben brauche, niemanden an meiner Seite, weil ich mir selbst genug bin, will und kann er offenbar nicht verstehen.“
Dr. Regina Steinbruch ist in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur eine wirklich erstaunliche Figur. In ihrem Gedankenstrom, an dem sie die Lesenden teilhaben lässt, gibt es keine Tabus. Ob sie denkt oder spricht, sie ist frech, schlagfertig, respektlos gegenüber allen, denen sie begegnet, sie nimmt nie Rücksichten im ständigen Kampf um die Gleichberechtigung und fühlt sich pausenlos von den Männern an die Wand gedrückt. Sie und die Welt sind ihr ganz spezieller Intimfeind, ob in Wien oder sonst wo. Die Kuratorin macht nicht halt vor privaten Mails, die sie gnadenlos liest und sie spricht genau das aus, was sie denkt. Das würden bestimmt viele Frauen ( wie Männer ) auch gern machen, trauen sich aber nicht, weil man oft viel zu höflich und zu feige ist. Es liest sich herrlich wie Regina Apotheker, wie alte Frauen zurechtweist oder Punker darüber aufklärt, dass man in Wien nicht Fotze sagt, sondern ein anderes Wort dafür benutzt.
Und so beginnt die Geschichte auch gleich mit einem Fiasko, denn Künstler Marvin erfüllt kaum Reginas Erwartungen beim Sex und so setzt sie ihn kurzerhand vor die Tür. Sie hat besseres zu tun, denn ihre Arbeit als Kuratorin geht vor und ihre Ausstellung im Belvertina muss ein Erfolg werden. Ihre geniale Idee geht auch völlig auf. In der Ausstellung „money sells“ dreht sich alles ums Grundeinkommen und die Verteilung von 50 – Euro – Scheinen. Natürlich spricht sich das ganz schnell in der Stadt herum. Die Besucherzahlen sind exorbitant. Allerdings grätscht der guten Regina trotz Pille danach dann doch die Schwangerschaft in den Lebensplan.
Wie Norbert Maria Kröll es vermag, sich so lebensecht in das ambivalente Innenleben seiner Erzählerin hineinzuversetzen, müsste man ihn unbedingt fragen, wenn man ihn trifft. Regina ist ein Original, eine Frau, die um ihre Familie einen Bogen macht und sich doch immer wieder nach ihrem behinderten Bruder erkundigt.
Mit der Schwangerschaft hadernd kommt Regina, irgendwie ist sie auch ein feiner Mensch, auf eine wunderbare Idee. Sie will, dass ihre lesbische Freundin Sue, die einzige, die sie versteht und so nimmt wie sie ist, und deren Freundin Jen das Kind adoptieren. Marvin soll vorerst nichts wissen, damit er die Pläne der überglücklichen Frauen nicht umstößt. Ohne Skrupel zieht Regina die Schwangerschaft durch, bekommt ihr Kind unter Narkose und will es auch nach der Geburt nicht sehen. Sie sehnt den Moment herbei, wo sie endlich wieder Wein trinken kann.
Nach einer gewissen Zeit laden Sue und Jen die leibliche Mutter als Tante dann doch zu sich nach Hause ein. Die Formalitäten für die Adoption dauern mindestens ein Jahr und die Frauen glauben zu wissen, dass Regina nicht umfallen wird. Und so ist es auch dann. Allerdings spürt Regina doch, wenn sie, bei allen Tiraden gegen Babys, die sie sich nicht verkneifen kann, bei ihrem Sohn Tom am Köpfchen riecht, dass da etwas ist, was sie gar nicht in Worte fassen kann.
Auch wenn sich Regina noch so wehrt, irgendetwas hat sich für sie seit der Begegnung mit Tom geändert. Wie das bei dieser taffen Frau sein kann, bleibt den Lesenden jedoch kein Rätsel. Denn natürlich wird sie alles haarklein erläutern und das liest sich einfach wunderbar.
Mit einem herrlich satirischen Blick schaut Norbert Maria Kröll auf die Kunstszene, lässt seine literarische Hauptfigur mit Bravour durch alle Höhen und Tiefen im Beruflichen wie Privaten gehen und versöhnt den erstaunten Lesenden am Ende mit einem völlig unerwarteten Happy End.