Donna Leon: Milde Gaben, Commissario Brunettis einunddreißigster Fall, Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz, Diogenes Verlag, Zürich 2022, 352 Seiten, €25,00, 978-3-257-07190-0

„Elisabettas Geschichte von Fenzos merkwürdigem Verhalten war der Ausgangspunkt gewesen, danach aber waren die Dinge außer Kontrolle geraten. Wie ein Lieferwagen mit gelösten Bremsen hatten die Ereignisse unaufhaltsam Fahrt aufgenommen: mit der Verwüstung der Praxis und dann Fenzos Aussage, wohin die Gelder flossen.“

Im Februar kommen natürlich nicht viele Touristen nach Venedig und da die Pandemie noch alle im Griff hat, ist es äußerst ruhig in der Lagunenstadt. Die Polizei schiebt eine ruhige Kugel und Guido Brunetti ist nicht überlastet. Das einzige, was wirklich nervt, sind die „Baby“- Gangs, Minderjährige, die aus Langeweile in Geschäfte einbrechen und randalieren.
Doch dann sitzt in Brunettis Büro eine gut angezogene Frau, die der Commissario einst in seiner Kinderzeit kennengelernt hat. Elisabetta Foscarini war noch ein Kind als die damals arme Familie Brunetti im Haus ihrer Eltern mietfrei wohnen durfte. Brunettis Vater war versehrt aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und die Familie hatte viele Probleme. Elisabettas Mutter hat immer wieder versucht, der Familie zu helfen, ohne sie zu beschämen. Sie mochte Guido sehr. In diese Erinnerungen versunken bleibt Brunetti nicht lang, denn Elisabetta hat ein Anliegen, das sozusagen unter dem Polizeiradar geklärt werden soll. Warum Brunetti, immerhin ist Elisabetta jetzt ja eigentlich eine fremde Person, sie nicht an einen Privatdetektiv empfohlen hat, fragt er sich, nachdem alles wirklich in die falsche Richtung läuft. Elisabetta macht sich Sorgen um ihre Tochter, denn ihr Schwiegersohn, Enrico Fenzo, hat behauptet, dass etwas Schreckliches geschehen könnte.
Brunetti erfährt, dass Enrico Fenzo bei Elisabettas Mann, Bruno del Balzo, als Steuerberater
gearbeitet und sich nun selbstständig gemacht hat. Bruno del Balzo ist im Ruhestand, möchte aber etwas Gutes tun. So hat er eine Stiftung gegründet und ein Krankenhaus in Lateinamerika in Belize errichten lassen. Schnell ahnen die erfahrenen Lesenden, dass natürlich Stiftungsgelder veruntreut werden. Es ist Italien, kann aber auch überall passieren.
Brunetti beginnt mit seinen Recherchen und sticht in einen Wespennest.
Enrico Fenzo hat bei einem Spaziergang ein Bild von einem Hotel gesehen und erkennt sehr schnell, dass dieses Hotel etwas abgeändert per Photoshop in den Prospekten der Stiftung als besagtes Krankenhaus in Belize ausgegeben wird.
Doch worum geht es eigentlich? Die Unterschrift eines dementen Vizeadmirals wird erschlichen, um ihn als anerkanntes Gründungsmitglied der Stiftung darzustellen. Bruno del Balzo unternimmt ausgedehnte Luxusreisen mit seiner neuen Steuerberaterin. Klar wird, dass del Balzo sehr schnell seine guten Absichten vergessen hat, um einen Teil der Stiftungsgelder einzuheimsen. All dies wäre eher ein Fall für die Guardia di Finanza, die sich kaum die Beine ausreißt, denn natürlich handelt del Balzo nie mit großen Geldbeträgen, deren Herkunft und Verbleib er ja nachweisen müsste. Und natürlich spielt Liechtenstein eine große Rolle und eine manipulierte Buchführung.
Als in die Tierarztpraxis der Tochter von Elisabetta eingebrochen und ein Hund verletzt wird, denken natürlich alle an die randalierenden Minderjährigen. Aber eine Augenzeugin hat gesehen, dass eine Frau die Täterin war. Elisabetta.
Ja, alles sehr dubios. Zumal die unersetzliche Elettra auch noch eine Wanze unter ihrem Schreibtisch entdeckt hat.
Kurzum, auch dieser 31. Fall des Commissarios Brunetti ist ein Roman für die Fangemeinde. Die Lesenden lieben und kennen die Figuren. Allerdings leiert in diesem Band die Handlung ziemlich aus, denn man wartet die gesamte Lesezeit auf den Clou, der nicht kommen wird.
Sicher hat Brunetti in seiner Kindheit milde Gaben von Elisabettas Mutter erhalten und diese milden Gaben werden den Kranken in Belize vorenthalten, weil die Menschheit einfach nicht besser wird, Pandemie hin oder her.