Kimberly McCreight: Freunde. Für immer., Aus dem amerikanischen Englisch von Kristina Lake-Zapp, Droemer Verlag, München 2022, 367 Seiten, €15,99, 978-3-426-28388-2
„Manchmal fragte ich mich, was wohl aus uns geworden wäre, hätten wir in jener Nacht auf dem Dach einfach die Polizei gerufen. Ich hatte das tun wollen, zumindest am Anfang. Bis man mich daran erinnert hatte, was das für unsere Zukunft bedeutet hätte – vor allem für meine. Doch hätten wir jemanden gerufen, wäre Alice vielleicht noch am Leben und sie und Keith immer noch zusammen.“
Sie kennen sich seit dem College und sind Freunde geworden. Stephanie Allen, Jonathan Cheung, Maeve Travis, Derrick Lazard und Keith Chism schmiedet die Tatsache zusammen, dass sie alle aus dysfunktionalen Familien, mal mehr mal weniger wohlhabend, stammen. Und sie verbindet diese eine Nacht, in der sie alkoholisiert auf dem Dach des Colleges gefeiert hatten. Alice und Keith hatten wie immer Streit und Alice brachte einen Fremden mit. Dieser Junge jedoch ist vom Dach gefallen. Niemand hat die Polizei informiert und alle haben geschwiegen. Ein Unfall, glaubten die Freunde, kein Unfall weiß der Lesende am Ende.
Gute zehn Jahre später treffen sich alle im neuen Wochenendhaus von Jonathan in den Catskills.
Sein Vater hat sich als chinesischer Einwanderer alles hart erarbeitet und doch kann Jonathan, der auch noch schwul ist, machen was er will, für seinen Vater ist es nicht gut genug. Doch nun will Jonathan Peter heiraten und die Freunde wollen feiern. Ärgerlicherweise hat sich der ziemlich unsympathische Künstler, Finch Hendrix, eingeladen. Er ist der Star in der Galerie von Keith, der allerdings durch seine Drogenabhängigkeit in argen Geldschwierigkeiten steckt. Um Keith von den Opioiden wegzubekommen, soll er noch an diesem Wochenende von seinen Freunden in eine Entzugsklinik verfrachtet werden. Jonathans Vater besteht darauf, ansonsten streicht er seinen Kredit. Doch Keith steckt so tief in den Miesen, dass die Schläger und Geldeintreiber ihm schon längst auf den Fersen sind. Stephanie als Juristin und Derrick, der als Dozent arbeitet und auch Romane geschrieben hat, wirken noch am seriösesten. Maeve ist eher die ewige Jasagerin, die sich mit Bates, einem Freund von Jonathan, einen reichen Mann angeln möchte. Die Gruppe der Freunde bekommt Ärger mit Bauarbeitern aus dem Ort, die die reichen Bewohner aus New York sowieso nicht mögen, aber für sie arbeiten. Peter hat angeblich eine Rechnung nicht bezahlt und nun droht Ärger.
Zeitlich wechselt Kimberly McCreight immer zwischen den Geschehnissen vor zehn Jahren und der Gegenwart hin und her.
Doch dann steht vor Jonathans ziemlich großem Häuschen fürs Wochenende mit seiner edlen Einrichtung die Polizei. Detektive Julia Scutt, die aussieht wie eine „Cheerleaderin mit Knarre“, befragt die Bewohner. Unweit des Ortes wurde ein Auto gefunden. Ein toter Mann, erstochen, sitzt im Wagen und eine Person ist verschwunden. Derreck und Keith sind an dem Abend in den Ort gefahren, um angeblich Zigaretten zu holen. Julia Scutt ist in ihre Heimatregion zurückgekehrt und muss sich mit ihrem ziemlich frauenfeindlichen Vorgesetzten herumschlagen. Alle kennen die Geschichte von Julias Schwester Jane. Als Julia acht Jahre alt war, wurde die attraktive Jane im Teenageralter brutal in den Wäldern ermordet. Sie war mit ihrer Freundin Bethany unterwegs, die allerdings nach dem Tag nicht auffindbar war.
Multiperspektivisch berichten nun die Freunde, Alice und Julia Scutt von den Geschehnissen in Vergangenheit und Gegenwart. Tief schaut der Lesende in die Leben von sehr unglücklichen Menschen, die kaum bindungsfähig sind, noch Freude an ihrer Arbeit finden. Hinzu kommt noch, dass die gemeinsame Freundin Alice wahrscheinlich aus Kummer und schlechtem Gewissen Suizid begangen hat. Oder war auch das ein Mord?
„Freunde. Für immer.“ ist der eher ironische Titel dieses Krimis, denn wahre Freundschaft sieht sicher anders aus. Leider ist die Handlung des Romans enorm überfrachtet, auch wenn am Ende so einige Fäden zusammenlaufen.
Geht es zum einen um die Beziehungen der über Dreißigjährigen untereinander, ihre Stellung in der Gesellschaft, ihre privaten Probleme und oftmals Geldsorgen, so kommt hinzu, dass von allen Seiten Gewalt droht. Die Mafia verfolgt Keith, die Bauarbeiter bedrohen alle Bewohner des Hauses und Finch sorgt dafür, dass genug Misstrauen untereinander gesät wird, damit er für sein Kunstprojekt „Freunde. Für immer.“ genug Content sammeln kann.
Weniger Handlungsstränge und psychologisch mehr ausgefeilte Figuren hätten dieser Geschichte um Verrat, Geheimnissen, Lügen und Mord gut getan.