Hilda Blum: Wie man seine Tochter liebt, Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama, Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, 320 Seiten, €24,00, 978-3-8270-1457-3


„Sie konnte keine Spannung zwischen uns ertragen, nicht die geringste, und daran klammerte ich mich.“

Die Ich-Erzählerin Joela fragt sich in ihren Reflexionen immer wieder, warum ihre Tochter Lea, ihr einziges Kind, den Kontakt zu ihr fast total eingestellt hat. Ab und zu gibt es wortkarge, völlig belanglose Telefonate, die eher die Distanz der beiden dokumentieren.
In einem Gedankenstrom breitet Joela ihr Leben als Mutter, aber auch Grafikerin und Ehefrau aus.
Alles beginnt mit der befremdlichen Szene, in der Joela, die in Israel lebt, im fernen holländischen Groningen im Verborgenen eine Familienszene beobachtet. Sie sieht durch die offenen Fenster Lea mit ihren beiden Töchtern.
In Rückblicken erzählt Joela nun von ihrer Beziehung zu ihrer Tochter, die als liebevoll, eng und in der Pubertät übergriffig erscheint. Leas Vater Meir, der bedeutend älter war als Joela, starb vor sechs Jahren. Als die Tochter davon erfuhr, kehrte sie zurück und blieb bei der Mutter auch Wochen nach dem Tod des Vaters. Auf einer Fernostreise sei sie. Freunde, Bekannte rufen die Mutter an und behaupten, sie hätten die Tochter getroffen und sollen sie grüßen. Ein billiges Theater. Lea lebt längst in Groningen und hat doch bei einer Schauspielausbildung den Vater ihrer Kinder kennengelernt. Per Zufall kommt die Mutter auf die Spur der Tochter und wagt doch keine Annäherung.
Bereits Meir hatte seiner Frau geraten, der Tochter mehr Freiraum zu geben, sie nicht überall hinzufahren und abzuholen, sie nicht ständig zu kontrollieren, ihr zu vertrauen. Schaut Joela auf ihre eigene Mutter, dann ist da eher Pragmatismus und das, was sein muss.
Wünscht man sich eine aufmerksame Mutter, die beruflich auch noch ihr eigenes Leben hat, so bedrückt doch die ungesunde Symbiose zwischen Mutter und Tochter und die Unfähigkeit der Mutter, die Tochter so zu lassen, wie sie ist.
Joela erzählt gern von Büchern, die sich mit den innerfamiliären Beziehung von Müttern und Töchtern befassen. Doch, so wird die Handlung zeigen, lernt sie nichts und mischt sich auch aus der Ferne in das Leben der Tochter.

Den Schmerz über die Trennung von der Tochter beschreibt Hilda Blum in berührenden Worten und doch ahnen die Lesenden, dass es auch auf der Seite Leas viele Konflikte gibt, die sie mit der Mutter nicht austragen konnte. Enttäuschungen, Erwartungen und vor allem Auseinandersetzungen brauchen Worte, die jedoch die Tochter nicht finden konnte.
Sprachlich präzise umkreist die israelische Autorin in den kurzen Kapiteln eine tragische Beziehung. Fragt sich die eine, was schief gelaufen ist, so weiß die andere, dass sie nur durch die emotionale Trennung sie selbst sein kann.