Linus Geschke: Das Loft, Piper Verlag, München 2022, 351 Seiten, €16,00, 978-3-492-06250-3
„Niemals könnte ich dir sagen, was ich getan habe. Das ist völlig undenkbar. Du würdest mich anschließend nie wieder so ansehen, wie du es bisher immer getan hast, und das würde ich nicht ertragen. Der Entzug deiner Liebe würde mir das Herz brechen, das weiß ich. Es ist schon gebrochen, aber nicht so, nicht vollständig.“
Sie sind nun seit drei Jahren das ideale Paar: Marc Lammert und Sarah Hauptmann. Er ist finanziell gut gestellt und attraktiv, sie eine atemberaubend schöne, eigenständige Frau. Alles wäre wunderbar, wäre da nicht Marcs Freund Henning Järisch, ein grobschlächtiger Typ mit Vorstrafen. Beide Männer kennen sich seit ihrem zehnten Lebensjahr, ihre enge Freundschaft verbindet sie über gesellschaftliche Schranken hinweg.
Als Sarah aus dem Taunus zu Marc in die Weltstadt Hamburg zieht, quartiert sich im Loft der beiden auch gleich Henning ein. Schnell wird klar, Marc ist zwar Jurastudent, aber sein Wohlstand stammt aus einer anderen Quelle. Henning und er betreiben ein gut florierendes Drogengeschäft, bei dem nur Henning in Hamburg sein Gesicht zeigt und mit den Türstehern der Clubs gemeinsame Sache macht. Sarah will gar nicht genau wissen, woher das Geld, sie ist Grafikerin mit keinem großen Gehalt, für die Miete, den BMW und die teuren Reisen stammt.
Sarah und Henning mögen sich nicht. Natürlich würde Sarah viel lieber mit Marc allein leben und vor allem wäre ihr lieber, wenn er Anwalt wäre und nicht mit seinen über dreißig Jahren immer noch Student.
Jeweils aus der Sicht von Marc und Sarah erzählt Linus Geschke diesen Thriller, der dramaturgisch geschickt wie ein Puzzle aufgebaut ist. Beginnt alles wie ein Märchen, so stellen sich doch langsam die Schattenseiten ein und als eine riesige Blutlache im Loft auf ein Gewaltverbrechen hinweist, bahnt sich die Katastrophe an. Marc und Sarah waren am Vortag zusammen und hatten sich aus Spaß ein Hotelzimmer genommen, ihr Alibi beruht auf beider Aussagen. Demzufolge kann das Blut nur von Henning stammen. Ein Messer findet sich in einer Mülltonne nicht weit von der Wohnung entfernt.
Aus der personalen Erzählperspektive erfährt der Lesende nun wie die Polizei ihre Arbeit macht. Kriminalhauptkommissarin Bianca Rakow, 45 Jahre alt und geschieden, ist die neue Ermittlerin in Hamburg. Sie führt mit Peter Höger die Vernehmungen. Marc sorgt sich um Sarah, er ist fest davon überzeugt, dass sie Henning nichts getan hat. Bei Sarah scheint die Ermittlerin nicht so sicher zu sein, ob die junge Frau wirklich bei der Wahrheit bleibt und so loyal zu ihrem Lebensgefährten steht wie er zu ihr. Letztendlich wandert Marc in Untersuchungshaft und Sarah kommt frei. Je mehr die beiden unabhängig voneinander über das Verbrechen in ihrem Loft nachdenken, um so mehr kommen sie zu dem Schluss, dass Henning seinen Tod vielleicht nur vorgetäuscht hat. Immerhin hatten Henning und Marc Schwierigkeiten mit einer extrem brutalen Rockergang, die Henning bedroht hatte.
Sarah ist sich sicher, dass die Rocker, wenn überhaupt, Henning auf dem Gewissen haben. Sie hatten diese auf Hennings neue Adresse hingewiesen. Allerdings sieht sie eine Nachricht, die nur von Henning stammen kann, am Badezimmerspiegel, als sie in ihre Wohnung zurückkehrt.
Eigentlich sollte Henning schon längst ausgezogen sein. Warum die Freundschaft zwischen Henning und Marc in die Brüche gegangen ist, hat mit dem letzten traumhaften Urlaub auf einer Insel bei Nicaragua zu tun.
Linus Geschke ist ein versierter Erzähler, der allerdings ab und zu ins Triviale abrutscht, wenn es um Gefühle geht. Seine fiktiven Figuren sind nicht gerade sympathisch, da egoistisch, selbstverliebt und rücksichtslos. So berichtet Marc, dass er ins Drogengeschäft eingestiegen ist, weil ihn eine „allumfassende Langeweile“ zu lähmen drohte. „… die Langeweile des Lebens an sich, grau und schwer und bleiern.“
Sarah sucht in irgendwelchen Toiletten den schnellen sexuellen Kick und wird dabei auch noch von Henning erwischt. Vielleicht ist Henning der einzige, der sich selbst realistisch betrachtet.
Der Kölner Autor Linus Geschke hält die Spannung lang hoch und lässt den Lesenden bis kurz vor Ende wirklich im Ungewissen. Letztendlich stellt sich bei diesem Thriller die Frage nach der Gerechtigkeit und der Schuld, die Menschen auf sich nehmen, wenn sie nach einem Verbrechen den Mund halten und möglichst schnell vergessen wollen.