Anna Jansson: Leichenschilf – Ein Kommissar – Bark – Krimi, TB, Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann, Blanvalet Verlag, München 2022, 496 Seiten, €11,00, 978-3-7341-1110-5

„Es war schwer festzumachen, wann genau die Schwester in ihrem Kontrollbedürfnis die Grenze zwischen Verantwortungsbewusstsein und fürsorglicher Belagerung überschritten hatte.“

Seit vor fünf Jahren Vera, die zwanzigjährige Tochter des Kriminalinspektors Kristoffer Bark, beim Junggesellinnenabschied verschwunden ist, hat er keine ruhige Minute mehr. Wie oft hat er die Tochter vor dieser viel zu frühen Heirat mit Rasmus gewarnt. Alles wurde von der Polizei von oben nach unten gedreht, alles durchsucht. Die Freundin Matilda, mit der Vera an diesem Abend überstürzt und angetrunken ins Boot gestiegen ist, wurde tot im See Hampetorp aufgefunden. Barks Hoffnungen entschwinden langsam, die Tochter noch zu finden. Auch seine Ex-Frau Ella kann den Schmerz um den Verlust der Tochter nur noch in Alkohol ertränken. Immer wieder rettet Bark sie vor dem finalen Absturz, eine Sisyphus Arbeit.
Parallel zu den Geschehnissen um Bark, lernen die Lesenden die neunundzwanzigjährige Denise Grothe kennen, eine schüchterne Frau, die nicht sonderlich selbstbewusst als Textildesignerin arbeitet und nun am See allein mit ihrem Hund lebt. Sie lernt Albert näher kennen, dem sie aber bereits als Jungen begegnet ist. Beide werden ein Paar und Denise wird schwanger. Albert neigt zu heftiger Eifersucht und einem Kontrollzwang, der beängstigend ist. Doch Denise vermag es nicht, ihm Grenzen zu setzen. Auch die Nachbarin Rita bedrängt die junge Frau mit ihren Fragen und ihrer übergriffigen Neugier.
Als dann die Leiche von Camilla, einer ebenfalls jungen Frau, die vor zwei Jahren verschwunden ist, im See gefunden wird, beginnt die Arbeit von Kristoffer Bark. Er bekommt ein neues Büro für diesen Cold Case und auch Mitarbeiter, die allerdings nicht die hellsten sind. Henrik Larsson hat mehr mit seinen fünf Kindern und seiner Neigung zur Hypochondrie zu tun als mit der Arbeit. Alex Molin nervt mit seiner Zappeligkeit und seinem unüberlegten Ehrgeiz. Bark selbst ist durch die Anspannungen der letzten Jahre ebenfalls extrem wütend und seine Impulskontrolle funktioniert nicht immer. Aus diesem Grund muss er in Therapie zu Mia Berger, die vielleicht der einzige Lichtblick in Barks Leben werden könnte.
Bark stellt fest, dass im Fall Camilla extrem schlecht ermittelt wurde. Ihr unsympathischer Lebenspartner Sonny hatte ausgesagt, sie sei depressiv gewesen und hätte sich selbst getötet. Allerdings stellt sich dann heraus, dass sie die Trennung wollte und vor allem schwanger war. Dass Albert nun der Vater war, verkompliziert alles. Denise fühlt sich mit Albert längst nicht mehr wohl. Als ihre ältere Schwester Isabell dann auch noch die fragile Denise, deren Zwillingsschwester einst ermordet wurde, in ihrem Haus bedrängt und eine Abtreibung fordert, endet die Beziehung der beiden.
Was ist wirklich an diesem Abend vor Ostern am See geschehen?
Das Motiv der Zusammengehörigkeit und Sorge um den anderen zieht sich wie ein roter Faden durch die spannende Handlung. Doch wo beginnt die Anteilnahme und wo geht sie wirklich in bedrängende Einmischung über?
Erstaunlich ist die Auflösung dieses How-dun-it Plots, denn die Wendungen, die die Handlung nimmt, weist auch bereits auf einen nächsten Fall hin.

Anna Jansson umgeht die Beschreibung der akribischen Polizeiarbeit, sondern wird nur ausführlicher, wenn es unbedingt sein muss. Gewalt steht zum Glück nicht im Vordergrund, eher die Psychologie und das Versagen der Erwachsenen.
Kristoffer Bark wird es mit seinen Mitarbeitern und seiner Chefin aus Deutschland nicht leicht haben, aber er ist ein ausdauernder, wie genau denkender Ermittler, der zuhören kann und sich selbst zurücknimmt. Und vielleicht wird ja auch sein Privatleben ein bisschen interessanter.

Spannung pur!