Maria Grund: Fuchsmädchen, Aus dem Schwedischen von Sabine Thiele, Penguin Verlag, München 2022, 415 Seiten, €15,00, 978-3-328-10705-7
„Eine alte, rissige Maske ohne menschliche Züge. Ein breiter Mund mit schwarzen Mundwinkeln, die Löcher für die Augen sind so schmal, dass die Augen des Mädchens kaum zu sehen sind, obwohl es nahe bei der Kamera steht. Die spitze Nase verleiht der Maske etwas Wildes. Sanna wird klar, dass sie einen Fuchs sieht, Er ist widerwärtig, hinterhältig und irgendwie traurig.“
Diese unerträgliche Geschichte um religiösen Wahn, Allmachtsphantasien, Missbrauch, Vertuschung und menschliche Verkommenheit ist keine leichte Kost und dient aber auch als Folie für ein Psychogramm von zwei Polizistinnen. Als bestes Debüt des Jahres von der Swedish Academy of Crime Fiction ausgezeichnet fesselt dieser sprachlich durchaus anspruchsvolle Roman bis zur letzten Seite. Nicht nur die akribische Polizeiarbeit angesichts der Kette von Morden fasziniert, sondern auch die Darstellungen der beiden Ermittlerinnen, die in ihren bisherigen Leben zu viel Tragisches erlebt haben.
Alles beginnt mit dem offenbar freiwilligen Selbstmord der fast fünfzehnjährigen Mia Asgar. Sie nimmt sich ohne Drogeneinfluss im Kalksteinbruch an einem Badeplatz im eisigen Winter auf Gotland das Leben. Eine Kamera in der Nähe zeichnet alles auf. Und so sehen die Ermittlerinnen, Sanna Berling und Eir Pedersen mit ihrem Kollegen Bernard Hellkvist das Mädchen, das mit der Fuchsmaske vor dem Gesicht in den Tod geht.
Dieses Kind ist nun fast so alt wie Sannas Sohn, der mit seinem Vater bei einem Brandanschlag vor zehn Jahren ums Leben gekommen ist. Den Täter, ein bekannter Pyromane, hat das Gericht straffrei entlassen und den Brand als Unfall deklariert. Sanna lebt nur noch für die Arbeit und legt sich auch gleich mit ihrer neuen Kollegin Eir, die ein Aggressionsproblem und eine jüngere, einst drogensüchtige Schwester hat, an. Bernard wird bald in Pension gehen.
Maria Grund lässt ein weibliches Ermittlerteam auflaufen, dass sich nichts schenkt. Beide Frauen sind gebrochene Persönlichkeiten, denen bei der nun folgenden Mordserie nach Mias Tod alles abverlangt wird.
Auf sehr brutale Art wird Marie-Louise Roos, eine vierundsiebzigjährige, wohlhabende Frau in ihrem Haus abgeschlachtet. Der Täter muss mit einer immensen Wut auf sein Opfer losgegangen sein. Später wird sich herausstellen, dass er sie vor der Tötung noch gezwungen haben muss, eine DVD zu sehen. Die Polizei ist nach der Entdeckung der Leiche auf der Suche nach dem Ehemann von Marie-Louise Roos, der jedoch im Rollstuhl sitzt. In der Wohnung der alten Frau, die mit Erfolg mit antiquarischen, wertvollen Büchern gehandelt hat, entdeckt Sanna ein Gemälde von sieben Kindern hinter sieben Tiermasken der verstorbenen ortsansässigen Malerin Ava Dorn. Nach Rekonstruktionen wird klar, dass die Künstlerin eindeutig Mia mit ihrer Fuchsmaske vor Jahren gezeichnet hat.
Als dann in einer Hochhaussiedlung Rebecca Abrahamsson auf die gleiche Art und Weise getötet wird, beginnen die Ermittler nach Parallelen in den Leben der beiden Opfer zu suchen. Bei der Leiche liegt ein verbranntes Exemplar von John Miltons Buch „Das verlorene Paradies“.
Beim zweiten Opfer findet die Polizei den dreizehnjährigen Sohn im Schrank. Jack muss etwas gesehen haben, aber er leidet an Mutismus und steht unter Schock. Durch Rebeccas Depressionen und Halluzinationen musste Jack oft zu seiner Pflegemutter Mette Lind. Diese hat jedoch einen Sohn, Benjamin, der mit seiner aggressiven Eifersucht Jack peinigt.
Nach und nach stoßen die Ermittlerinnen auf Indizien, die ihnen verdeutlichen, dass sie es mit einem Racheakt zu tun haben. Doch wer ist derjenige, der Mias Tod, die auch noch schwanger war, sühnen will. Ein Jugendlicher? Das Bild mit den sieben Kindern und den Masken weist auf wahre Erlebnisse in einem katholischen Sommerlager hin, die sie vor sieben Jahren erlitten und traumatisiert haben.
Jack wird in den Verhören mit Sanne, nur mit ihr will er auf seine spezielle Weise kommunizieren, eine Wolfsmaske zeichnen.