Laura Lippman: Wenn niemand nach dir sucht, Aus dem amerikanischen Englisch von Kathrin Bielfeldt und Jürgen Bürger, Kampa Verlag, Zürich 2021, 378 Seiten, €22,00, 978 3 311 12026 1
„Nun im Rückblick sah Maddie die Welt so, wie sie war, und welchen Platz die Frauen darin hatten. Solange sie Diskretion wahrten, durften Männer sich nebenher eine Freundin halten. Manche Männer fühlten sich sogar berechtigt, die Frau umzubringen, die ihre Liebe nicht erwiderte. Cleo Sherwood war nicht wichtig genug gewesen; sie hätte das Wahlergebnis nicht beeinflussen können. Sie hatte nie irgendeine Rolle gespielt.“
Oktober 1965, Baltimore: Als die attraktive Maddie Schwartz durch eine Einladung ihres Mannes mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird, fasst sie einen Plan. Als Ehefrau eines Anwaltes in einem schönen Vorort hat sie sich gut siebzehn Jahre um den Sohn Seth gekümmert. Doch wo sind ihre Träume geblieben? Sie geht auf die Vierzig zu und weiß, dass der prominente Gast Wallace Wright, sie nennt ihn Wally, sie daran erinnert, dass sie mal gern Texte geschrieben hat und einfach gut war.
Um nicht als „Vorstadtmutti“ völlig zu versauern, verlässt Maddie ihren Mann und ihre langweilige Ehe. Sie nimmt sich eine Wohnung in der Stadt. Maddies jüdische Mutter glaubt, dass Maddie nach einer gewissen Zeit wieder zu Ehemann Mitlon zurückkehrt, aber das wird nicht geschehen. Maddie kämpft sich trotz finanzieller Probleme, Milton blockiert die Scheidung und auch Seth wohnt nicht bei seiner Mutter, wie sie gehofft hatte, durch.
Geschickt wechselt Laura Lippman immer wieder die Perspektiven und lässt jede neue Figur, die mit Maddie in Kontakt tritt, aus ihrer Sicht erzählen. In kursiv gehaltenen Texten, die ebenfalls immer wieder auftauchen, kommt Cleo zu Wort, eine schwarze, junge Frau, deren Leiche in einem Brunnen gefunden wurde. Sie spricht Maddie direkt an und hofft, dass diese sich für sie einsetzt.
Denn Maddie verfolgt beruflich ein ganz klares Ziel. Sie will unbedingt für den Baltimore Star schreiben.
Auf die Idee kommt Maddie als sie per Zufall die Leiche des verschwundenen, jüdischen elfjährigen Mädchens, Tessie Fine, findet. Tessie hatte so ihre Geheimnisse vor ihrer strengen Mutter, wie alle Mädchen oder Frauen in diesem Roman. Es sind die 1960er Jahre und Frauen wie Mädchen hatten wenige Rechte. Allein schon Maddies Anspruch für sich ein lebenswertes Dasein mit Beruf und Spaß zu beanspruchen, ist für die strenge Müttergeneration eine Anmaßung sondergleichen. Auch die Männer sind nicht begeistert, besonders als sich Maddie, mittlerweile hat sie ein Verhältnis mit einem schwarzen, ziemlich cleveren Polizisten ( auch er hat als Schwarzer nicht mal ein Funkgerät und keine Aufstiegschancen ), in den Fall um die weiße Tessie einmischt. Sie schreibt einfach dem Tatverdächtigen, Stephen Corwin, ins Gefängnis, dem letzten Mann, einem Verkäufer in einem Zoogeschäft, der mit Tessie Kontakt hatte. Die Presse will unbedingt ein Interview mit Maddie und natürlich Informationen, denn Corwin antwortet auf Maddies Brief. Aber sie taktiert so geschickt, dass die Zeitung sie anstellen muss.
Naiv, frech, aber auch gut aussehend und zielstrebig sucht sich Maddie, die beim Kummerkasten der Zeitung gelandet ist, nun einen Fall, über den sie schreiben möchte. Da sich sowieso niemand für die tote schwarze Cleo im Brunnen interessiert, beginnt Maddie mit ihren Recherchen.
Wie die amerikanische Gesellschaft in diesem Jahren tickt, ob es nun um Frauen in Berufen oder die schwarze Minderheit geht, davon erzählt dieser so lebendig geschriebene Roman.
Dass Maddie von der Männergesellschaft ausgetrickst wird, verwundert wenig und doch geht sie unbeirrt ihren Weg.
Interessant sind die unterschiedlichen Erzählungen der facettenreichen Gesellschaft rund um Maddie. Sie beurteilen, bewerten oder kritisieren Maddies Neugier, aber auch Energie, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Sie lässt sich nicht unterkriegen und dafür kann man sie nur bewundern.
Sehr lesenswert!