Ayad Akhtar: Homeland Elegien, Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren, Claasen Verlag, Berlin 2020, 464 Seiten, €24,00, 978-3-546-10014-4
„Jetzt war mir bewusst, was mir die ganze Zeit gefehlt hatte. Hier war echte Freiheit.
Reichtum war der einzige Weg der Befreiung aus der Schuldknechtschaft, in der die Unter- und Mittelschicht im Amerika des 21. Jahrhunderts gehalten wurde.“
Der erfolgreiche Dramatiker Ayad Akhtar, dessen Stücke auf der ganzen Welt gespielt werden, begann ein Jahr nach Donald Trumps Machtantritt als Präsident seinen autofiktionalen Roman zu schreiben. Vieles scheint so echt, dass man nicht glauben kann, es sei ausgedacht. Und warum auch, denn Ayad Akhtar will ja vom wirklichen Dasein und seinen Gefühlen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten berichten.
„Ich gehöre zu den Schriftstellern, die Tatsachen verdrehen müssen, um sie desto deutlicher sehen zu können, und ich bin dieser Neigung auch hier gefolgt. Dies ist ein Roman.“
Geboren in den USA ist der Autor Amerikaner. Doch im Laufe des Erzählens fragt sich Ayad Akhtar, gerade auch nach den Angriffen auf das World Trade Center, warum er sich auch Jahre später nie als Amerikaner fühlt. Immer wieder darauf angesprochen, woher er den stamme, beginnt sich ein Gedankenkarussel im Kopf des Autors zu drehen. Und das hat seinen Grund. Als die Türme des World Trade Center einstürzen, stellt er sich sofort zum Blutspenden an, er lebt in New York. Doch in der Schlange vor ihm steht ein Mann, der zu ihm sagt: „Wir wollen dein arabisches Blut nicht.“
Geschockt von dieser Aussage trägt er monatelang an einer Kette ein Kreuz, um sich nicht als Moslem zu outen. Auch später ändert sich nichts. So behauptet er eher, seine Eltern seien aus Indien und nicht aus Pakistan. Sagt er, sein Vorname sei aus dem Ägyptischen, sind die Gesprächspartner ganz schnell bei Mohammed Atta, einem der Flugzeugentführer von 9 / 11, der Ägypter war. In einem Gespräch mit einem freundlichen Officer in Scranton spürt Ayad Akhtar, sein Auto hat seinen Geist aufgegeben, eine latente Feindlichkeit, die gar nicht vorhanden ist.
„Offenbar haben Sie sich nicht täglich damit herumschlagen müssen, nicht als Bürger eines Staates, sondern als sein Feind wahrgenommen und behandelt zu werden.“
Ayad Akhtar wurde 1970 in New York geboren, seine Eltern sind aus Pakistan in die USA ausgewandert. Beide Eltern, nicht praktizierende Moslems, konnten in den USA arbeiten, erhielten eine Wohnung und die nötige Unterstützung. Als Ayads Vater sogar für kurze Zeit lang vor der politischen Karriere von Donald Trump ihn behandelte, entstand eine unerklärliche Bewunderung für den Millionär. Es war bekannt, dass er Schulden angehäuft hatte, es war bekannt, dass er wieder Geld scheffelte. Nicht klar ist, ob Ayads Vater diesen Mann sogar 2016 zum Präsidenten gewählt hat. Zugestehen muss man ihm, dass Ayads Vater im Laufe seiner Amtsführung schon Zweifel an dieser seltsamen Bewunderung kamen.
Ayad Akhtar erzählt nicht durchgehend chronologisch. Er wandert mit seinen Gedanken jedoch zu Schicksalsschlägen, die seine Familie verkraften musste. Der Autor versucht das Private mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu verbinden um zu erklären, warum die USA zu dem geworden ist, was sie jetzt von außen her darstellt. Als Autor nicht gerade Großverdiener und zeitweilig noch finanziell vom Vater abhängig, steigt er durch die Bekanntschaft mit einem Hedgefonds-Eigner zu Reichtum auf. Berichtet wird von einem Freund des Vaters, Latif Awan, ebenfalls Arzt und Moslem aus Pakistan, der in den USA gelebt hat. Sein Weg jedoch führte ihn nicht, wie Ayads Vater zum Gelde hin, sondern wieder zurück in die Heimat. Mit den Jahren wurde er immer religiöser und erwartete die Hinwendung zum Islam auch von seiner Familie. Erschossen wurde er von Leuten der CIA. Hier taucht der Autor in essayistischen Exkursen tief in die Beziehungen von USA, Pakistan und Afghanistan ein.
Dass Ayads Vater gerade auch nach dem Tod der Mutter immer mehr dem Alkohol verfällt und sogar eine Geliebte über Jahre hatte, erschüttert den Sohn. Resigniert spürt der Vater, dass er in dem von ihm bewunderten Amerika nie angekommen ist.
Ayad Akhtar ist ein leidenschaftlicher Beobachter und Schreiber, der laut seinen Aufzeichnungen alle möglichen Dialoge und Aussagen der Menschen in seiner Umgebung festhält. Sogar ein Satz seiner Mutter, mag es stimmen oder nicht, war Ausgangspunkt für eines seiner erfolgreichsten Stücke.
Sein Buch ist keine leichte Kost, denn der Text ist mal episodisch, dann wieder essayistisch und dann wieder herzzerreißend traurig.
Ein Gewinn ist er ohne Frage, wenn man sich wirklich mit den USA, seiner Einwandererpolitik und den aktuellen Fragen rund um Donald Trump auseinandersetzen möchte.