Alexa Henning von Lange: Die Weihnachtsgeschwister, Dumont Buchverlag, Köln 2019, 180 Seiten, €18,00, 978-38321-9775-9
„Sie konnte ja nicht einmal genau belegen, an welchen Stellen ihre Geschwister ,komisch‘ waren. Elisabeth fühlte sich einfach von ihnen ,gedisst‘, wie Marie und Finni sagen würden.“
Drei Geschwister, Tamara, Elisabeth und Ingmar, reisen am Tag vor Weihnachten mit ihren Lebenspartnern und Kindern zu den Eltern. Hier ist die Welt noch in Ordnung, es gibt klare Regeln, alle drei haben gute Erinnerungen an ihre Kindheit. Doch warum kommen die Geschwister seit einiger Zeit einfach nicht mehr miteinander aus? Warum knallt es jedes Mal an Weihnachten und ein Familienteil fährt wutschnaubend früher nach Hause? Was treibt sie auseinander? Waren sie als Kinder wirklich so eng miteinander vertraut, wie sie glauben oder täuscht die Erinnerung.
Aus der Perspektive der Geschwister, aber auch der Sicht von Marie, Elisabeths ältester Tochter oder Holger, Elisabeths neuem Freund, gewinnt der Leser so nach und nach einen Einblick in die Familienverhältnisse.
Tamara, die älteste, sehr gefrustete Schwester, fühlt sich gerade an Weihnachten von ihrer jüngeren Schwester Elisabeth persönlich angegriffen. Die Anfang Vierzigjährige hat erfolgreich ihr Studium abgeschlossen, doch nun sitzt die Perfektionistin Zuhause, umsorgt ihre handysüchtigen Söhne und ihren inaktiven Mann mit gesundem Essen. Er schuftet sich im Büro ab und ernährt die Familie. Warum die doch so tatkräftige Frau, die glaubt, dass sie in ihrem Leben einfach nur falsch abgebogen ist, keine berufliche Karriere angestrebt hat, bleibt offen und das ist schade. Zu gern würde man als Leserin wissen, warum der Einstieg in den Beruf nicht möglich war. Angriffslustig teilt Tamara gern aus und denkt doch, dass die anderen auf sie herabsehen. Elisabeth, zwei Jahre jünger als Tamara, hat zwei Ehen hinter sich und von jedem Ex ein Kind. Ihr Geld, offensichtlich ohne abgeschlossenes Studium, verdient sie sich als Übersetzerin, eine arbeitsintensive und nicht allzu gut bezahlte Tätigkeit. Sie hofft, dass sie mit ihrem neuen Freund Holger glücklich wird. Um niemanden zu provozieren, versucht sich Elisabeth zurückzuhalten und sie will keinem erzählen, wie gut es ihr jetzt eigentlich geht. Wer sich allerdings nie zurücknimmt, ist Ingmar. Er kritisiert Elisabeth dafür, dass sie wieder mit einem Fremden beim Familienfest erscheint.
Ingmar, auch berufsbedingt, und seine Frau Siri demonstrieren gern, dass sie sich für die Umwelt verantwortlich fühlen. Weihnachten herrscht ihrer Meinung nach nur der Konsumterror und eigentlich möchte Ingmar die Eltern dazu überreden, dass sie am 24. die Bescherung um 17 Uhr stattfinden lassen. Allerdings sind die Eltern nicht die pünktlichsten und so entbrennt erneut ein Streit, wann denn nun die Geschenke verteilt werden. Ingmars Kinder, besonders Lucy mit Unterstützung Siris, fordern immer eine Extrawurst, was alle anderen nervt.
Vor dem Hintergrund all dieser Informationen bahnt sich nun wie auch zu den vorangegangenen Weihnachten ein Kleinkrieg an, bei dem sich alle, auch die Eltern, fragen, warum man eigentlich immer noch gemeinsam feiert?
Weihnachten ist der Familientag und vor allem ein Tag des Friedens. Warum gerade am Heiligen Abend und den folgenden Festtagen so gern gestritten wird, bleibt ein Geheimnis. Warum muss alles perfekt sein? Wo herrscht immer diese Erwartungshaltung vor und nicht Gelassenheit? Klar ist, die drei Geschwister interessieren sich nicht wirklich füreinander und Verständnis bringt niemand für den anderen auf. Elisabeth mag die Ausnahme sein.
Als die Geschwister vor dem Haus der Eltern stehen und niemand die Tür öffnet, geschieht dann doch ein Wunder.
Eine vergnügliche Lektüre für alle, die insgeheim sich auch mehr Harmonie an den Festtagen wünschen und vielleicht weniger Eifersucht und mehr Empathie.