Alan Bradley: Flavia de Luce – Halunken, Tod & Teufel, Aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung, Penhaligon Verlag, München 2011, 352 Seiten, €19,99, 978-3-7645-3026-6
„ Ich hatte keine Angst vor Leichen. Im Gegenteil, aufgrund meiner beschränkten Erfahrungen wage ich zu behaupten, dass ihr Anblick mich geradezu aufleben lässt. Ein Toter ist viel interessanter als ein Lebender, denn die meisten Leichen haben sogar die spannenderen Geschichten zu erzählen.“
Der Kanadier Alan Bradley lässt seine 11-jährige Amateurdetektivin Flavia de Luce im Mutterland des Krimis England ermitteln. Nachdem Flavia ihren ersten Toten in einem Gurkenbeet entdeckt hat, spielt der dritte Band erneut im kleinen Ort Bishop’s Lacey nur wenige Zeit später. Eine große Detektivin des Kriminalromans Miss Marple steht hier Pate für die kleine Ermittlerin Flavia. Sich langweilend und ohne Freunde hängt die Ich-Erzählerin mit ihren morbiden Gedanken am liebsten in ihrem Labor ab. Sie widmet sich ihren Racheplänen gegen die fiesen älteren Schwestern Ophelia und Duffy, ihrer Vorliebe für einfallsreiche Giftmischer und chemische Experimente.
Der 73-jährige Autor lässt seine altmodisch wirkende Handlung im idealisierten Traumland England zu einer Zeit spielen, in der er wie Flavia 11 Jahre alt war. In allen geplanten Bänden fließt unwiederbringlich Nostalgisches ein, wie eine reisende alte Wahrsagerin auf dem Jahrmarkt, überlieferter Aberglauben und verbotene Religionen oder im ersten Roman die Aufregung um eine wertvolle Briefmarke, aber auch intelligente Anspielungen auf politische Themen, Literatur und naturwissenschaftliche Experimente. Dabei ist Bradleys lakonische Erzählweise sehr modern. Das liegt vor allem an dem widersprüchlichen, unerschrockenen Charakter seiner Hauptfigur. Selbstbewusst spottet Flavia gelehrt und altklug, folgt unerfahren der richtigen Intuition und plappert dann wieder kindlich drauflos. Voller Vertrauen in seine neugierige Protagonistin entwickelt Alan Bradley neben allem trockenen Humor eine berührende Geschichte über die Wahrsagerin Fenella, die brutal mit ihrer Kristallkugel niedergeschlagen wurde, ein totes Baby und den seltsamen Fund eines Wilderers, der auf dem Anwesen der de Luce an einer Poseidon-Brunnenfigur aufgehängt, natürlich von Flavia, entdeckt wurde.
Geschickt präsentiert sich Flavia als unauffälliges, naives Kind, dass sich vor Milchhaut fürchtet, aber sehr geschickt die polizeiliche Arbeit unterläuft und die Verdächtigen gezielt ausfragt. Nichts entgeht ihren ausnehmend guten Ohren. Doch Inspektor Hewitt ahnt, dass Flavia wieder im Mordfall recherchiert und möchte gleich von vornherein ihren Ermittlerdrang beenden. Doch zu spät, Flavia ist schon mitten im Fall und weit erfolgreicher bei ihren Recherchen als die Polizei.
Wie bei alle berühmten Detektive fehlt es auch bei Alan Bradleys Hobby-Ermittlerin nicht an persönlichen Macken. So nennt Flavia ihr Fahrrad liebevoll Gladys und redet gern mit ihm, rühmt sich insgeheim für ihre Intelligenz und möchte doch eigentlich ein besserer Mensch werden, der die Schwächen der teils schrulligen Dorfbewohner nicht immer schamlos ausnutzt. Intelligente Krimilektüre für aufmerksame Mädchen.
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