Sabine Ludwig: Painting Marlene, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck 2011, 379 Seiten, €12,99, 978-3-499-21612-1
„Keine Ahnung! Das scheint das Leitmotiv dieser Generation zu sein, denkt Julia.“
Die 18-Jährige Marlene hat ihr Abi hinter sich und einen Urlaub mit ihrer Freundin Rike in Mallorca, da trifft sie die Nachricht wie ein Schlag. Ihr Vater, ein nicht gerade erfolgreicher Maler, ist an einem Herzinfakt gestorben. Als sie ihn das letzte Mal in seiner Wohnung besucht hat, er lebte seit fünf Jahren getrennt von der Mutter Julia, hatten sie einen Streit. Marlene zieht in diesem heißen Sommer nun in die Wohnung des Vaters in der Berliner Stubenrauchstraße. Von den Bildern des Vaters ist nur das Porträt von Marlene erhalten. Die anderen Gemälde, so die Aussage der Mutter, hat ein Galerist in Kommission genommen.
Parallel zu Marlenes Geschichte berichtet eine Person von ihrem Kummer mit dem Vater und der Mutter, die ihn ebenfalls verlassen hat. Er sucht ihr Grab und findet nur das von Marlene Dietrich. Nach und nach wird klar, dass dieser Erzähler Marlene beobachtet und den Wunsch verspürt sie zu beschützen, zu lieben. In Reflexionen erinnert der Unerkannte sich an harmonische Momente mit der Mutter und an seelische Grausamkeiten des Vaters.
Marlene jedenfalls richtet sich in der neuen Wohnung ein und glaubt, sie könne sich so aus der Abhängigkeit und Fürsorge von ihrer Mutter befreien. Aus der Sicht der Mutter erfährt der Leser von diesem schwierigen Ablösungsprozess zwischen Tochter und Mutter.
Marlene hat inzwischen Jasper, einen hochbegabten, wie leicht arroganten Jungen, kennengelernt, der sie fasziniert, aber auch verunsichert. Ihr treuer Schulfreund Georgie, der immer da ist, wenn Marlene ihn braucht, mag Jasper nicht, was auf Gegenseitigkeit beruht. Immer wieder geraten Mutter und Tochter aneinander, denn Marlene kann sich einfach nicht entscheiden. Will sie studieren, will sie eine Ausbildung machen? Wie regelt man die alltäglichen Dinge, wie Versicherungen u.a.. In einem Cafè arbeitet die junge Frau als Aushilfe und weiß doch, dass diese Arbeit nicht die Erfüllung ist.
Genießt Marlene die Vorzüge des freien Lebens ohne unter Beobachtung der Mutter zu stehen, das übernimmt jetzt der geifernde, sexuell unbefriedigte Hausmeister, der in der Wohnung unter ihr wohnt.
Doch Marlene ist nicht allein in ihrer Wohnung. Ihr Porträt scheint sich von Mal zu Mal zu verändern, indem jemand die Gesichtszüge übermalt und ihnen einen neuen, ja fast lassiven Blick verpasst.
Aus verschiedenen Perspektiven, der lauernde Blick des Psychopaten im Hintergrund ist ein gängiges Stilmittel, schaut der Leser auf Marlenes Leben. Zum einen schildert Sabine Ludwig, die bisher eher durch ihre Kinderbücher bekannt wurde, wie die gefrustete und vereinsamte Mutter nicht mit dem Auszug der Tochter fertig wird und jedes Mittel einsetzt, um die Tochter wieder an sich zu binden. Zum anderen ist da der undurchsichtige Jasper, der durchaus fähig wäre, das Bild zu verändern. Oder ist Marlene selbst eine gespaltene Persönlichkeit und tut Dinge, die ihr nicht bewusst sind?
Wie in einem Thriller scheinen alle Figuren als mögliche Täter in Frage zu kommen und der Leser weiß auch, dass die Mutter das Geheimnis über den Tod des Vaters vor der Tochter verbirgt. Nur das Motiv der Fixierung gerade auf diese junge Frau und die Verfolgung durch den offensichtlich verwirrten Unbekannten bleibt verschwommen. Er hadert mit dem Verlust der Mutter, der emotionalen Härte des Vaters und nicht von Marlene begehrt zu sein. Er geht in Marlenes Wohnung aus und ein und doch geschieht kaum Aufregendes. Wovor muss er die junge Frau schützen, vor der abhängigen Mutter und ihrer Zuneigung, vor Jasper oder dem übergriffigen widerlichen, heftig berlinernden Hausmeister?
Und das ist auch die Schwäche der Handlung, die zwar um Marlenes Leben kreist, sich aber nicht spannend genug entwickelt oder einfach dann nur von plötzlich präsentierten Tatsachen vorangetrieben wird. Die Anspielung auf Oskars Wildes „ Das Bildnis des Dorian Gray“ erscheint ebenfalls weit hergeholt und wenig überzeugend. So wie Marlene ahnungslos durchs Leben stolpert, die Figuren wenig Konturen haben, dümpelt die Handlung vor sich hin und auf keinen Höhepunkt zu. Auch die Auflösung des Unbekannten am Ende des Romans ist nicht überraschend und für den Leser schon lang vor dem Schluss relativ durchsichtig. Es fehlt die wirklich schockierende Wendung, die Überraschung, die jeder Leser bei einem Thriller erwartet!
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