Meg Wolitzer: Die Ehefrau, Aus dem Englischen von Stephan Kleiner, Dumont Verlag, Köln 2017, 270 Seiten, €10,00, 978-3-8321-6432-4

„Joe wollte jetzt meine Hilfe, sagte er. Würde ich das für ihn tun? Es wäre nur für diesen einen Roman; er könnte mir Dinge erzählen, die er beobachtet und erlebt oder einfach erspürt habe, und ich könne sie aufschreiben; sein Kopf und sein Leben seien mit Erfahrungen angefüllt.“

Auf dem Flug nach Helsinki zur Preisverleihung des begehrten Helsinki-Preises, nicht so berühmt wie der Nobelpreis, aber immerhin, entschließt sich die vierundsechzigjährige Joan Castleman ihren Mann Joe, einen erfolgreichen Schriftsteller, zu verlassen. Doch warum hat sie so lang mit dieser Entscheidung gewartet? Er ist immerhin sieben Jahre älter als sie, die Höhen und Tiefen ihres gemeinsamen Lebens, so scheint es, liegt weit hinter ihnen. Dieser Preis ist die Krönung seines Lebenswerkes und danach kommt möglicherweise gar nicht mehr so viel.
In einem Gedankenstrom erinnert sich die Ehefrau an ihre Zeit mit Joe, den einst vielversprechenden Dozenten für kreatives Schreiben an ihrem College. Beide lernen sich zu Beginn der 1950er Jahre in Northampton kennen. Alle Mädchen himmeln den jungen Joe an und ausgerechnet Joan suchte er sich aus. Allerdings ist Joe zu diesem Zeitpunkt noch unglücklich verheiratet und gerade Vater geworden. Als Joan eine veröffentlichte Geschichte von ihm in einer unbedeutenden Literaturzeitschrift liest, ist sie enttäuscht. Und doch, was sagt man, wenn man verliebt ist? Man lügt.
Joan und Joe brennen nach New York durch. Sie findet, trotz reicher, aber entsetzter Eltern, immerhin ist Joe Jude, eine Stelle als Assistentin eines Lektors. Doch dann erscheint der erste, autobiografisch gefärbte Roman von Joe Castleman und die Welt steht ihm offen. Sie heiraten, bekommen drei Kinder und leben ein reiches Leben, abseits irgendwelcher langweiliger Hochschuldozenturen, ein Leben voller Abwechslungen, sie reisen und bewegen sich in Schriftstellerkreisen. Wären da nicht seine Seitensprünge und das Familiengeheimnis, das beide tunlichst hüten, alles könnte gut sein. Doch irgendwann hat Joan nicht mehr die Kraft, alles für sich zu behalten, im Hintergrund zu stehen, obwohl er sie als seine Muse öffentlich ständig lobt. Es mag die Zeit gewesen sein, in der die Männer schreibende Frauen nicht akzeptieren wollten und konnten. Und sogar Joan lernte früh eine selbstbewusste Autorin kennen, die ihr ziemlich klar vermittelte, dass sie trotz Talent nicht so weit kommen könnte wie Joe. Und doch, die Gesellschaft hat sich verändert. Warum hat Joan keinen Roman geschrieben, sondern immer nur die Ideen ihres egozentrischen, wohl kaum hochtalentierten Mannes auf Vordermann gebracht und seine Beutezüge toleriert? Er steht als schillernde, charismatische, selbstbewusste Figur im Rampenlicht. Und sie?
Nicht mal den Kindern konnte er ein liebender Vater sein. Mit seinem Sohn David wird es zu einer heftigen körperlichen Auseinandersetzung kommen, mit den Töchtern bleibt es eher lauwarm, zumal die eine lesbisch ist und die andere unglücklich in ihrer Ehe.

Bei einem Gespräch mit einem Biographen kann sich Joan ein paar Anspielungen nicht verkneifen.
Am Ende jedoch wird sich alles in Wohlgefallen auflösen, denn Joe stirbt und sie lässt ihm großzügig den Nachruhm.

Lesen kann man diesen schmalen, sehr unterhaltsamen Roman als Satire auf den Literaturbetrieb, zumal im letzten Jahrtausend, aber auch als Geschichte über falsche weibliche Zurücknahme und typisch männliche Ignoranz.

Verfilmt wurde der Roman mit Glenn Close und Jonathan Pryce in den Hauptrollen, eine sicher nicht schlechte Wahl für diese doch lebensnahe Geschichte.