Bernhard Kegel: Abgrund, Mare Verlag, Hamburg 2017, 384 Seiten, €22,00, 978-3-86648-251-7
„Er war wütend gewesen, drohte vor Wut fast zu platzen, Wut auf all die ach so erwachsenen Reinharts in der Wissenschaft, die nur an ihre Karriere dachten, ihr Fähnchen in den Forschungswind hängten und immer weitermachten, als sei nichts geschehen; Wut auf die Öffentlichkeit, die einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollte, dass die Welt auf den Abgrund zuraste; auf die Politik, die angesichts der Jahrtausendaufgabe, sich dieser Entwicklung zu stellen, komplett versagte.“
Anne Detlefsen und Hermann Pauli haben sich spät in ihrem Leben gefunden. Sie ist leitende Kriminalkommissarin in Kiel und er anerkannter Meeresbiologe. Ihr erster gemeinsamer Urlaub auf den Galápagosinseln sollte trotz anstrengender Schiffsreise und nicht gerade bequemem Quartier in der Charles-Darwin-Station ein Abenteuer werden. Zum dem wird es allerdings, als Hermann auf eine Haiart beim Tauchen stößt, die ihn arg ins Grübeln versetzt. Umgeben von jungen Wissenschaftlern fühlt sich Anne ein bisschen fremd, zumal ihr Liebster mit zwei Kollegen aufs Meer hinausgefahren ist, um nach diesem ungewöhnlichen Hai zu suchen. Bernhard Kegel erzählt mal aus Hermanns, dann wieder aus Annes Perspektive. Als promovierter Biologe weiß Bernhard Kegel auch wovon er schreibt, denn im Mittelpunkt steht natürlich, wie kann es nicht anders sein, der bedenkliche Zustand der Flora und Fauna, der Klimawandel und der menschliche Drang nach Profit zu streben. Wenn David, ein junger attraktiver Biologe die Korallenbestände sieht, dann packt ihn die Wut. Dabei versuchen die staatlichen Institutionen große Teile des Meeres zu schützen, die Fischer in Schach zu halten und den Tourismus nicht mehr als nötig auszuweiten. Doch vielen Wissenschaftlern und Naturschützern geht es wirklich zu weit, sie beklagen die Auswüchse des Tourismus.
Als Hermann Anne allein lässt, geschieht vieles gleichzeitig. Die berühmteste und traurig anzusehende Schildkröte Lonesome Georg verstirbt plötzlich, ein Vulkan bricht aus und eine Tsunamiwelle setzt sich in Bewegung. Anne erfährt wie fragil die Unterstützung für die Darwin-Forschungsstation ist. Brandanschläge auf Segelboote, auch mit Verletzten und Toten, häufen sich und scheinen auf einen Täter hinzuweisen.
Und dann demonstrieren die jungen Wissenschaftler auch noch öffentlich gegen das Tiersterben, was die Polizei nicht einfach so hinnehmen kann, denn die Fischer liefern sich mit den Forschern eine Prügelei. Dabei lernt Anne Inspektor Jorge Nunez kennen, die in Münster ausgebildet wurde. Er zieht sie bei seinen Ermittlungen zu den Brandanschlägen zu Rate und da Hermann sich über die verabredete Zeit hinaus auf See befindet, kann sie auch ein bisschen arbeiten, zumal Jorge sehr charmant ist.
Steht der Kriminalfall bald im Vordergrund der Geschichte, so berichtet Bernhard Kegel auch immer wieder, und das sehr unterhaltsam und nicht allzu ausschweifend, von Darwins Forschungen auf dem Galápagosarchipel, aber auch von derzeitigen Arbeiten. Neben der Defaunation thematisiert er Beobachtungen, die die Veränderungen der Tierarten betreffen. Bei aller Kritik an der Förderung des Tourismus und gleichzeitigen Zerstörung der Natur versucht der Autor, für alle Seiten gute Argumente zu finden. Dass ein Wissenschaftler nicht klaglos zusehen kann, wenn eine Tierart endgültig ausstirbt, die biologische Vielfalt ihren Preis zahlen muss und nicht nur die Korallenriffe ein trauriger Anblick sind, versteht jeder Leser. Aber legt man deswegen Brände? Anne kann es nicht glauben und sucht verzweifelt nach Beweisen, um einen der vorstürmenden Angeklagten zu entlasten.
Spannende Lektüre über einen zwar weit entfernten, beim Thema Umwelt aber sehr nahen, wunderschönen Flecken der Erde.
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