Alan Bradley: Flavia de Luce – Eine Leiche wirbelt Staub auf, Aus dem Englischen von Gerald Jung und Katharina Orgaß, Penhaligon Verlag in der Verlagsgruppe Random House, 409 Seiten, €19,99, 978-3-7645-3112-6
„Verwesung? Zersetzung? Säure? Diese Frau sprach meine Sprache! Ich konnte zwar kein Französisch, aber mit der Sprache der Toten kannte ich mich aus, und von einer Unterhaltung wie dieser hatte ich schon mein Leben lang geträumt.“
Die 12-jährige Flavia de Luce, Nerd und Heldin bereits einiger Bände von Alan Bradley, muss ihr geliebtes Bishop Lacey verlassen und auf Geheiß von Tante Felicity von England nach Kanada reisen, um dort die strenge Miss Bodycotes Höhere Mädchenschule, auf die auch ihre verstorbenen Mutter Harriet ging, besuchen. Kaum angekommen, fällt auch schon in ihrem Zimmer eine verkohlte Leiche eingehüllt in die Landesfahne aus dem Kamin.
„Miss Fawlthornes Gesicht wurde im Schein der Kerze weiß wie ein Laken. Nur die Leiche und ich bewahrten die Fassung.“
Flavia kann es einfach nicht lassen. In einem unbeobachteten Moment nimmt das Mädchen ein Medaille, die sich bei der mumifizierten Toten befindet, an sich. Die Polizei legt natürlich keinen Wert auf Flavias Mitarbeit, so wie in ihrem englischen Heimatort. Unbarmherzig sind die Regeln an der Schule und Zickenkrieg, Geistergeschichten, Verschwörungen und Argwohn herrschen unter den Schülerinnen des Internats. In Zeiten, in denen man vom Internet vielleicht nur träumen kann, behelfen sich die Mädchen eher mit dem Morsealphabet, um sich heimlich Botschaften zu schicken. Da Harriet einen guten Ruf hatte, schauen alle gebannt auf Flavia, die eher mit ihren sarkastischen, manchmal leicht überheblichen Bemerkungen auffällt. Ab und zu vom Heimweh geplagt, beginnt Flavia, sie kann einfach nicht anders, mit ihren Recherchen. Wer ist die Leiche, die äußerst makaber, sich aus einem weiblichen Körper und einen männlichen uralten Schädel zusammensetzt?
Nach und nach wird klar, dass Flavia von einigen Lehrerinnen an dieser Schule auf die Einführung in den Geheimbund Nest des Colchichus, dem Tante Felicity vorsteht, eingeführt werden soll. Für Flavia, die eine Fachexpertin für alle möglichen chemischen Experimente ist, steht natürlich der Chemieunterricht in den höheren Klassen offen. Mrs. Bannermann, eine angeblich unschuldige Giftmörderin, testet Flavias chemische Kenntnisse und ihr Wissen um bedeutende Forscher. Natürlich besteht das Mädchen mit Bravour, denn nur sie kann sich für die chemischen Prozesse und verschiedenen Larven begeistern, die sich auf einem toten Körper tummeln.
Einige Schülerinnen, auch hier herrscht Stillschweigen, werden im Chiffrieren, Entschlüsseln und in den schwarzen Künsten der Naturwissenschaften ausgebildet.
Flavia findet heraus, das drei Mädchen an der Schule angeblich spurlos verschwunden sind. Wurden sie nach Hause geschickt oder ist ihnen etwas anderes zugestoßen? Warum hat der Arzt, Dr. Rainsmith, so schnell nach dem Verschwinden seiner ersten, wohl sehr zierlichen Frau gleich wieder geheiratet? Und wie kann es sein, dass Flavia unter den uralten Schädeln in Naturkunderaum einen findet, bei dem die Füllungen der Zähne so gut wie neu aussehen?
Trau keinem, heißt das Motto aller Mädchen und Lehrerinnen. Eine ungute Atmosphäre breitet sich langsam aus und Flavia will trotz ungelöstem Fall eigentlich nur nach Hause. Natürlich ist auf die Polizei wie immer kein Verlass und Flavia gelangt dank ihrer naturwissenschaftlichen Kenntnisse und ein wenig psychologischem Gespür auf die Spur der Täter. Allerdings muss sie den Ruhm der Entdeckung einem anderen überlassen, aber das ist letztendlich nicht so tragisch.
Ironisch und wie immer äußerst spannend liest sich dieser altmodische Thriller um ein ziemlich schrulliges Mädchen, das von Leichen nur so verfolgt wird. Interessant sind wie immer die Ausflüge in die Geschichte der chemischen Entdeckungen. Flavias Erzählton ist etwas altklug, aber dafür äußerst witzig. Sie und ihr Autor kommen wunderbar ohne Smartphone und tausend Freunde auf Facebook aus und bezaubern durch Verstand und morbide Komik.
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