Jackie Thomae: Momente der Klarheit, Hanser Berlin im Carl Hanser Verlag, München, 288 Seiten, €19,90, 978-3-446-24943-1

„Die meisten werden zusammenbleiben. Die werden diesen Moment haben, in dem es aus ist, und anschließend noch zehn Jahre so weitermachen.“

Sie heißen Doro, Bender, Maren, Reza oder Susanne und fast alle befinden sich in der Mitte des Lebens, haben Kinder oder wünschen sich welche, haben Affären oder erträumen sich diese, sind beruflich etabliert oder freiberuflich Kreative und alle erleben Momente der Klarheit. Alle kennen, ohne es zugeben zu wollen, die Einsamkeit an der Seite eines anderen und geraten in Situationen, in denen sie verstehen, was in ihrem Leben falsch läuft oder schon immer falsch gelaufen ist. Ob sie die Konsequenzen, auch aus Verletzungen ziehen, kann der Leser vielleicht fünfzig Seiten später lesen oder auch nicht. Alle sind recht gut situiert und auf irgendeine Weise miteinander verbandelt, jeder kennt jeden über irgendjemanden und das meist schon ziemlich lang. Es sind die subtil erzählten Situationen, die die Autorin Jackie Thomae schildert, in denen sich der Leser wiedererkennen könnte.
Als Episodenroman konzipiert beginnt alles auf dem Flughafen und irgendwie gibt es in Jackie Thomaes Geschichte Sätze, die einfach stimmen:
„Nirgends liegt so viel zwischenmenschliches Grauen in der Luft wie auf dem Flughafen.“

Szenen reihen sich in diesem Reigen ( Ein Personenverzeichnis findet sich am Ende des Buches.) aneinander, die wirklich auch komisch sind. Männer träumen sich aus ihren Familien weg, schauen ihre Frauen an und ihnen fällt nur ein Wort ein, „Trulla“. Männer benehmen sich wie die Axt im Wald, werden ausfallend und niemand wird es ihnen zur Last legen. Frauen gehen Beziehungen ein, um nicht allein zu sein und wissen doch genau, das das Andocken an jemanden nicht die Lösung ist. Und Frauen verlassen Männer in aller Klarheit, die ihnen zu mittelmäßig geworden sind.

Doro verspürt nach zehn Jahren das Verschwinden ihres Partners Bender als plötzliche Bedrohung, dabei geht er ab und zu, ohne großartig Bescheid zu sagen. Doch diesmal kommt der Moment der Klarheit als ein, auch er hat seine Geschichte im Roman, Rechtsanwalt anruft und Doro mitteilt, Bender überlässt ihr großzügig für eine bestimmte Zeit die riesige Altbauwohnung und trennt sich so von ihr. Doro fällt in ein abgrundtiefes Loch und trotzdem ist die Szene, in der sie im Bioladen die völlig überteuerten Lebensmittel einkauft und ihre innere Stimme ihr Handeln kommentiert, wieder so ein Moment der Klarheit, aber ein komischer.

Affären werden geschildert, in denen einer sich ernster nimmt als der andere und verliert, Familienzwiste kommen zur Sprache, in denen man sich in die Haare geht und trotzdem nichts klären kann.

Dieser Roman ist wie ein Lauf durch die Gesellschaft mit Seitenblicken in Häuser und Wohnungen, in denen die Mieter gut beobachtetet sich in diesen Geschichten nicht immer klischeefrei wiederfinden. Aber nicht nur dunkle Momente, Schmerz oder Trauer über Trennungen oder Verletzungen bestimmen den Handlungsverlauf, in allem steckt auch ein Moment der Hoffnung auf etwas Neues, Anderes.