Lucie Whitehouse: Eine perfekte Lüge, Aus dem Englischen von Elvira Willems, Bloomsbury Verlag, Berlin 2015, 384 Seiten, €14,99, 978-3-8270-1270-8

„Sie hatte sich getäuscht; ihr Instinkt – nein, ihr Urteilsvermögen – war in die Irre gelaufen.“

Möglicherweise hat sich Hannah in ihrem Misstrauen verrannt, aber vielleicht gibt es für alle Unstimmigkeiten auch eine plausible Erklärung. Vertrauen und Ehrlichkeit sind die Grundpfeiler einer guten Beziehung, nicht zu vergessen – eine beidseitige tiefe Zuneigung. Doch wie kann es geschehen, dass ein Mensch, der dem anderen weismacht, dass er ihn liebt, ihn mit einer Lüge nach der anderen hintergeht?

Hannah und Mark haben sich bei Freunden in New York kennengelernt. Hannah arbeitete zu diesem Zeitpunkt erfolgreich in einer Werbeagentur. Der attraktive Mark hat seine eigene Softwarefirma aufgebaut und hält sich geschäftlich nun oft in den USA auf. Als Mark Hannah um ein erstes Date bittet, fühlt Hannah, dass sie sich einfach nicht auf einen neuen Mann einlassen will. Doch woher dieses Misstrauen? Hat ihr Bruder Tom recht, ist sie egoistisch, ein Feigling, wenn es um Nähe geht? Hätten sich Hannah und Mark genau an diesem von Hannah abgesagten Abend nicht doch per Zufall getroffen, vielleicht wäre alles Folgende nicht geschehen.

Nach wenigen Monaten heiraten die beiden. Hannah gibt ihren geliebten Job auf und zieht zu Mark, der durchaus seriös, vielleicht etwas extravagant wirkt, in sein geräumiges Haus nach London. Hannah möchte Kinder, aber sie will auch wieder arbeiten. Doch in der Zeit der Finanzkrise wird es für sie immer schwieriger, für ihre Qualifikation einen passenden Job zu finden. Der aufmerksame Mark zerstreut Hannas Zukunftsängste und gibt ihr immer das Gefühl, dass sein Einkommen auch für sie beide reicht.

Unbesorgt, ja wunschlos glücklich fährt Hannah nach Heathrow, um ihren Mann vom Flughafen abzuholen. Aber Mark bleibt verschwunden. Er meldet sich nicht, kein Anruf, keine Mail. Langsam wird Hannah unruhig und beginnt Marks Arbeitszimmer zu durchsuchen. Sie stellt fest, dass die Bankunterlagen fehlen. In der Firma wird sie dann fündig und bemerkt, dass Mark ihr Sparkonto abgeräumt hat. Durch Marks Sekretärin erfährt sie, dass er eigentlich in Rom sein sollte, mit ihr.

Hannah telefoniert die Hotels in New York ab und muss feststellen, dass er in keinem abgestiegen ist.

Dann ein Anruf, wage Erklärungen. Mark kehrt zurück und tischt Hannah eine glaubwürdige Geschichte auf, warum er sich nicht melden konnte. Er will seine Firma verkaufen, aber er muss, und hier liegt die Ursache für alle Notlügen, seinen kriminellen Bruder, der ihm mit dem Erbe der Eltern in einer schwierigen Zeit ausgeholfen hatte, in Kürze auszahlen. Nick sitzt wegen Totschlags im Gefängnis, aber seine zehnjährige Strafe geht dem Ende entgegen. Mark beschreibt seinen Bruder als manipulativ, wahnsinnig verwöhnt von der Mutter, unbeständig, geldgierig, unberechenbar und gewalttätig.

Mark kratzt nun alles Geld, er hatte auch eine höhere Hypothek auf das Haus abgeschlossen, ohne Hannah zu informieren, zusammen. Hannah bleibt eigentlich gar keine Wahl, sie muss glauben, was ihr Mark erzählt und doch schleichen sich immer wieder Zweifel ein.

Als Nick dann entlassen wird, meldet er sich nicht bei Mark. Ganz im Gegenteil, die Polizei steht vor der Tür und eröffnet Mark und Hannah, dass eine ehemalige Freundin von Nick, der er im Prozess gedroht hatte, getötet wurde.

Ausgerechnet neben der Leiche findet die Polizei ein Zigarettenpackung mit Nicks Fingerabdrücken.

Hannah und Mark geraten in Panik, verlassen ihr Haus und ziehen vorübergehend ins Hotel. Und wieder vernimmt Hannah eine Unstimmigkeit. Hatte Mark ihr nicht erzählt, dass seine Eltern den damaligen Prozess gegen den jüngeren Bruder nicht miterlebt haben, weil sie bereits tot waren. Jetzt stellt sich heraus, Hannah hat viel Zeit zum Recherchieren, dass die Eltern von Mark und Nick gut drei Stunden von London entfernt leben. Wie konnte Nick dann mit dem Erbe der Eltern Mark und seiner Firma unter die Arme greifen?

Konsequent aus der Sicht von Hannah erzählt Lucie Whitehouse, die jetzt als Britin in Brooklyn, New York wohnt, diesen absolut spannend geschriebenen Thriller, den man atemlos in einem Zug durchlesen muss.

Hannah durchlebt eine Achterbahnfahrt der Gefühle und Verwirrungen, denn in einem Moment vertraut sie ihrem Ehemann, aber im nächsten beginnen wieder die Zweifel. Wie loyal verhält man sich in einer Ehe, wie weit kann man überhaupt erkennen, mit wem man sein Leben verbringen will? Hannah will natürlich glauben, dass ihr Ehemann, aus welchen Gründen auch immer er lügt, zu den Guten gehört und alles sich irgendwie aufklären wird. Doch das Misstrauen ist gesät.