Gideon Samson: Doppeltot, Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf, Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2015, 220 Seiten, €14,95, 978-3-8369-5799-1
„ So wie Rifka es sagt, klingt es tatsächlich recht einfach. Trotzdem kommt es mir schwierig vor. Es darf nichts schiefgehen und bei seltsamen Lügengeschichten geht fast immer alles schief.“
R.D.F. bedeutet Rif+Düüv Forever. Sie sind unzertrennliche Freundinnen, die charismatische, geltungssüchtige, einfallsreiche Rifka, die sicher mal später eine Schönheit sein wird und Düüv, das zwölfjährige Mädchen, das die einzige Freundin von Rifka ist. Rifka ist nicht die Queen, sie ist der „King“ in der Klasse, der alles bestimmt. Sie raucht, sie ist extrem schadenfroh und sie lacht gern boshaft über die Schwächen ihrer Mitschüler, die sie als Dummtussis und Lödeldödel bezeichnet. Düüv ist froh, dass sie die Freundin von Rifka ist und doch schwingt auch immer ein hauchdünner Zweifel in Düüvs Gefühlen Rifka gegenüber. Besonders dann, wenn es da ist, das Gefühl, die Angst, besonders in der Nacht. Dann weint Düüv und niemand kann sie trösten, auch nicht ihr älterer Bruder Olivier.
Als Mori, der neue Mitschüler, in die Klasse kommt, denkt sich Rifka vieles aus, um ihn zu ärgern. Dabei hat Mori ein ernsthaftes Herzproblem und nachdem er nicht mit zur Klassenfahrt gekommen ist, weiß der Lehrer gar nicht, wie er es den Mitschülern beibringen soll. Mori ist gestorben. Rifka und Düüv wollten dem Jungen, den sie Pferdeschwanz nennen, eigentlich am letzten Tag der Fahrt die Haare abschneiden.
Düüv war heilfroh, dass Mori zu Hause geblieben ist.
Die Trauer und die Zeremonie in der Kirche bringen Rifka auf eine fatale Idee. Sie möchte ihre eigene Beerdigung inszenieren, vielleicht sogar noch besser, ihre Entführung und dann die Beerdigung auch ohne Leiche. Sie würde sich unter die zahlreichen Trauernden mischen, denn bei ihr würde ja alles noch viel rührender und trauriger sein, sei als bei dem kleinen Mori. Und dann würde sie sich halbtot lachen. Düüv ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie alle hinters Licht führen werden. Meistens ist Rifka bei Düüv, denn Rifkas Eltern sind oft nicht zu Hause. Als Rifka erzählt, auf welche weiterführende Schule sie gehen wird, ohne mit Düüv vorher zu sprechen, ist sie enttäuscht. Düüvs Mutter betrachtet Rifka mit Distanz und erklärt Düüv, das sie auch ohne ihre beste Freundin ihren Weg gehen kann. Dabei hat sich Rifka Düüv als Freundin gesucht, weil sie an Olivier interessiert ist. Aber dieser hat sich längst ein anderes Mädchen erwählt.
Die beiden bereiten nun ihren Coup vor. Als Düüv bemerkt, dass sie vieles kaufen müssen und kein Geld haben, fordert Rifka Düüv auf, es doch zu klauen. Und Düüv klaut ein Messer, traut sich aber nicht die Geldbörse ihrer Eltern zu plündern, so wie Rifka das offensichtlich mehrmals zu Hause getan hat.
Sie entwerfen zwei Briefe aus Zeitungsbuchstaben. Der erste kündigt die Entführung an und fordert Lösegeld, im zweiten steht die Todesdrohung.
Düüv soll beide Briefe in der Stadt einwerfen.
„Wenn du die Briefe vertauschst, bist du tot. Ja. Das hat sie gesagt. Wenn ich sie nicht in den Briefkasten werfe, bin ich ganz bestimmt doppeltot. Dann bin ich genauso eine Dummtussi wie alle anderen Mädchen. Nie mehr R.D.F., sondern forever vorbei.“
Aber Düüv schafft es nicht, diese Briefe auf den Weg zu bringen, denn sie trifft die Mutter von Mori im Dorf, die ihr erzählt, wie gut ihr Sohn über die beiden Mädchen gesprochen hatte. Plötzlich wird ihr klar, welches Doppelspiel Rifka veranstaltet und mit welchen Lügen sie durchkommt. Aber Düüv weiß auch, an welchem Abhang sie steht, wenn sie nicht das tut, was Rifka von ihr verlangt. Möglicherweise ist sie dann das Mobbingopfer und das würde sie nicht ertragen. Am liebsten möchte Düüv alles abblasen, aber Rifka zeigt nun ihr wahres, egoistisches Gesicht.
In sich verschachtelt und zeitversetzt erzählt der niederländische Autor Gideon Samson aus den Perspektiven von Düüv, ihrem Bruder Olivier und Rifka die Geschehnisse. Am Ende geraten die sogenannten besten Freundinnen aneinander und Düüv gehen die Nerven durch. Die Eskalation endet in einer Tragödie.
Rifkas Beziehung zu ihren Eltern scheint kühl zu sein, lieblos. Sie wählt Düüv als Freundin, um jemanden fest an sich zu binden, denn es geht nicht um Freundschaft oder Gefühle, sondern um Manipulation. Diesem Abhängigkeitsverhältnis stellt Gideon Samson die innige Beziehung zwischen Düüv und ihrem Bruder Olivier gegenüber. Er liebt seine Schwester, möchte sie beschützen und ahnt nicht, was auf ihn zukommt. Samsons Jugendroman endet mit einem Zeitungsausschnitt und lässt den Leser im Ungewissen zurück.
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