Liza Marklund: Jagd, Aus dem Schwedischen von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt, Ullstein Verlag, Berlin 2015, 375 Seiten, €17,50, 978-3-550-08061-6
„Im einen Fall war das Opfer gestorben, im anderen hatte es überlebt. Der eine Mann war bekleidet, der andere nicht. Die Methoden waren unterschiedlich. Lerberg war ein angesehener Bürger, der andere ein Außenseiter.“
Gleich zu Beginn wird der Politiker Ingemar Lerberg, ehemaliger Parlamentsabgeordneter und Unternehmer, auf brutalste Weise gefoltert. Er überlebt, wird ins künstliche Koma versetzt und die Polizei beginnt zu ermitteln. Nina Hoffmann arbeitet nun als Fallanalytikerin mit Kommissar Q zusammen. Sie kennt Annika Bengtzon, die hartnäckige Boulevardjournalistin der größten schwedischen Nachrichtenzeitung Abendblatt aus vergangenen Zeiten. Annika hat sich, nicht ohne Gewissensbisse und doch überzeugt vom Ende der Beziehung, von ihrem Mann Thomas nach den Geschehnissen in Somalia, Thomas wurde die linke Hand regelrecht abgehakt, getrennt. Thomas tut sich mittlerweile nur noch leid und er hasst seine Ex-Frau. In Jimmy, dem Staatssekretär im Justizministerium hat Annika einen neuen Lebensgefährten gefunden. Allerdings harmoniert die Patchworkfamilie mit Annika und ihren Kindern Kalle und Ellen und Jimmy mit den Zwillingen Serena und Jakob überhaupt nicht. Serena signalisiert Annika in jedem Moment ihres Zusammenseins, dass sie sie vehement ablehnt. Aber Annika versucht alles, um einen Kontakt zu dem Mädchen herzustellen.
Je mehr Annika über den Christdemokraten Lerberg recherchiert, um so unangenehmer wird ihr das Opfer. Vor gut sieben Jahren zog sich Lerberg als Politiker zurück, da ihm Steuerbetrug vorgeworfen wurde. Und innerhalb dieser Jahre hat er mehrere Unternehmen in den Sand gesetzt, konnte sich aber immer wieder aufrichten. Seine politischen Ansichten behagen Annika kaum, denn er plädiert eindeutig für den Abbau des Sozialstaates und Sanktionen gegen Menschen, die ihre Arbeit verloren haben. Annika recherchiert im Umfeld von Lerberg und stellt fest, dass Nora, die 18 Jahre jüngere Frau von Lerberg, wie vom Erdboden verschwunden ist. Die drei Kleinkinder halten sich bei Lerbergs Schwester auf, die jedoch mit der Kinderbetreuung überfordert ist. Annika besucht die wohlsituierten Nachbarinnen von Nora. Niemand weiß, wo Nora sich aufhalten könnte. Dass sie ein Doppelleben geführt hat, erkundet Nina mit ihrem Spürsinn für Details. Als treusorgende Hausfrau hat Nora angeblich alles allein gemanagt. Sie legte nicht viel Wert auf enge Kontakte zu den Nachbarinnen, sie wollte nicht beim Leseclub mitmachen, obwohl sie ständig Hörbücher hörte. Doch warum flog sie so oft in die Schweiz? Wer verbirgt sich hinter dieser jungen Frau?
Als dann ein Alkoholiker und scheinbar auf der Straße lebender Mann, Kaggen, ebenfalls durch Folter getötet wird, ergeben sich plötzlich Parallelen in dem Fall.
Als dann Anders Schymann, der Chefredakteur vom Abendblatt, von einem Blogger im Netz angegriffen wird, eröffnet sich für Annika noch ein Fall. Der Blogger behauptet, dass Schymann vor achtzehn Jahren eine Dokumentation über das Verschwinden der Milliardärin Viola Söderland veröffentlicht hätte, die eindeutig auf falschen Informationen beruhte. Angeblich ist Söderland als Steuerschuldnerin abgetaucht und hat sich in Russland ein neues Zuhause gesucht. Der Blogger beschimpft Schymann nun als unseriösen Journalisten und als Betrüger.
Annika soll nun, so hofft Schymann, die verschwundene Viola Söderland finden.
Alle Ermittlungen führen zu einem verbindenden Element – Geldwäsche. Nora hatte ihre Flucht von langer Hand geplant. Die Details ihrer Machenschaften, für die ihr Ehemann nun grausam büßen musste, erkundet Nina Hoffmann. Sie soll mit Annika auch in dem Fall Söderland zusammenarbeiten, was Nina, die als Einzelgängerin nicht erpicht ist auf Familienanschluss, so gar nicht passt.
Auch wenn sich vieles aufklärt, einiges bleibt in der Schwebe. Der Leser, der wiedermal viele brutale Beschreibungen von Foltermethoden über sich ergehen lassen muss, weiß diesmal mehr über die Peiniger als die Presse und die Kriminalpolizei. Einzelne Handlungsstränge stehen nebeneinander als würde die schwedische Autorin Liza Marklund neue Konstellationen für weitere Romane einführen.
Spannend jedoch bleiben die Geschichten um den Workaholic Annika Bengtzon, die nicht nur schreibt, sondern nun auch noch fürs Web-Radio und den TV-Sender des Abendblattes arbeitet. Fragt sich immer, wo bleibt die Zeit für zeitlich längere seriöse Recherchen und wohin führt die Fülle an sinnlosen Informationen. Wie sich Journalisten durch Informationen manipulieren lassen, welche Macht ein anonymer Blogger einnehmen kann, das muss Annikas Chef fast am Ende seiner beruflichen Karriere erfahren.
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