Tess Gerritsen: Der Schneeleopard, Ein Rizzoli- &-Isles-Thriller, Aus dem Amerikanischen von Andreas Jäger, Random House audio, Gelesen von Mechthild Großmann, 6 CDs, 470 Minuten, €19,99, 978-3-8371-2672-3

„Es gab keine Überraschungen. Aber mit Überraschungen war das so eine Sache. Man wusste nie, wann eine auftauchen würde, die den Ermittlungen eine völlig neue Richtung gab.“

Der Großwildjäger und Tierpräparator Leon Godt wird wie ein Tier getötet und ausgeweidet, ein Schock auch für die härtesten Polizisten. Ein Schneeleopardenfell verschwindet aus seiner Werkstatt. Leons Sohn, Elliot Godt, kam vor sechs Jahren bei einer Safari in Botswana ums Leben. Elliots ehemalige Freundin Jody Underwood wurde ebenfalls, es sollte wie ein Raubüberfall aussehen, getötet. Und ein Skelett wird in einem Bostoner Garten gefunden, das eigenartige Einkerbungen im Brustbein aufweist. Die Pathologin Maura Isles zieht eine vage Parallele zum Fall Leon Godt, der Detective Jane Rizzoli nachgehen wird. Ihr gehässiger Widersacher Detective Crowe teilt nur Spott aus, wenn Jane oder Maura ihre Vermutungen äußern, aber damit können sie leben. Zwischen den Freundinnen jedoch bleibt eine Spannung, die sie gern aus dem Weg räumen würden, es aber nicht schaffen. Das ist der Auftakt für einen erneut spannenden Thriller von Tess Gerritsen.

In einer zweiten Erzählebene wird der Leser aus Millie Jakobsens Sicht Teilnehmer an der Safari in Botswana. Dabei stammte diese Afrikaidee eher von Richard, Millies Freund. Sieben Menschen brechen auf und nur Millie wird überleben.
Nach und nach verkleinert sich die international bunt zusammengewürfelte Truppe. Jeder glaubt, es sind Hyänen oder andere wilde Tiere, die grausig zuschlagen. Der Safariguide Johnny unternimmt alles, um die Gruppe zu beschützen, doch dann fällt der Jeep aus und Millie kann es nicht sehen, aber das einzige Gewehr gerät in die falschen Hände. Über vierzehn Tage wird sie im Okavangodelta auf ihrer Flucht umherirren und psychisch schwer gestört überleben.
Als sie nach sechs Jahren, Millie lebt jetzt mit Mann und Kind in Südafrika, einen Anruf der Bostoner Polizei erhält, beginnen wieder ihre Alpträume.

Jane lässt Detective Tamm recherchieren. Er erkennt, dass die Vorgehensweise, Menschen wie Tiere aufzuhängen und auszuweiden, ein Mordmuster ist, dass in acht Bundesstaaten in den letzten Jahren praktiziert wurde. Ob in Nevada, Montana oder Maine, der Mörder spürt Jägergruppen auf, sucht das Risiko und tötet. Er verhält sich wie ein Leopard, der seine Beute erlegt. Dann finden die Ermittler in Maine das Feuerzeug von Richard, einem der Opfer aus der Botswana-Gruppe.

Jane fliegt mit ihrem Mann, Spezial Agent Gabriel Dean vom FBI, zu Millie nach Südafrika. Sie hat sich auf ihrem Anwesen regelrecht eingeigelt und in ihrem Ehemann einen wahren Beschützer gefunden. Millie lebt in der Angst, dass die Bestie aus Botswana sie aufspüren könnte und töten. Jane muss psychologisch alle Register ziehen, um Millie umzustimmen, damit sie mit ihnen nach Boston reist, um diesen Ritualmorden ein Ende zu bereiten. Millie ist überzeugt, dass Johnny, den sie eigentlich sehr mochte, der Mörder ist. Den wahren Johnny glaubt Jane gefunden zu haben, aber Millie macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Jane Rizzoli wird immer unzufriedener, denn sie kann sich einfach nicht mehr auf ihr Gespür verlassen und nur Indizien weisen auf Verdächtige hin. Und Maura erzählt von irgendwelchen Erscheinungsbildern. Detektive Crowe triumphiert, denn er glaubt, dass diese ganze Millie-Aktion völlig sinnlos war. Er wird sich irren.

Ein Tierhaar, ein Foto und eine wirkliche Überraschung führen am Ende zur Klärung dieses absolut grausigen Falls, der nichts für schwache oder sensible Gemüter ist.

Unaufgelöst bleiben allerdings die Motive zu diesen Ritualmorden, die ein unbescholtener Mann verübt hat, den alle für freundlich und harmlos hielten.
Mechthild Großmann versinkt regelrecht mit ihrer markanten, sonoren Stimme in ihren Figuren, ob männlich oder weiblich. Die aus dem “Tatort“ bekannte Schauspielerin hält bei bestimmten Sätzen inne, verlangsamt ihr Tempo in entscheidenden Passagen, um dann wieder in einen normalen Erzählton überzugehen. Ihre Stimme charakterisiert jede Figur, von sanft, hilflos, zupackend, arrogant bis gruselig abstoßend. Bis zur letzten spannenden Minute hört man ihr gern zu.