Charlotte Inden: Operation 5 Minus, Carl Hanser Verlag, München 2014, 170 Seiten, €13,90, 978-3-446-24629-4
„Wir hatten eine Woche. Also Gogol hatte eine Woche, um seinen Entführungplan bis ins letzte Detail vorzubereiten. Und ich hatte eine Woche, um ihn zu vereiteln.“
Wahre Freunde halten einfach zusammen und wenn einer in Schwierigkeiten ist, dann stehen alle zu ihm. Matze jedenfalls kann Hilfe benötigen, denn in den Fächern Mathe und Latein steht er glatt auf Note 5. Keine Frage, er ist versetzungsgefährdet und das ausgerechnet in den beiden Fächer, die Dr. Biglmaier unterrichtet. Jo, der Erzähler der Geschichte, mag den Biglmaier nicht, und seine Freunde Laurenz, der Gogol und der Graf sowieso nicht. Eine Idee muss her und die liefert gleich der Gogol. Wie wäre es mit Erpressung?
Sie entführen die 15-jährige Tochter Laura, sie nennen sie Schneewittchen, und fordern als Lösegeld sozusagen Matzes Versetzung. Allerdings bringt das gar nichts, wenn Matze im nächsten Jahr das gleiche Problem hat. Kurz und gut die Jungen müssen mit ihrem Freund üben. Früher war das nicht möglich, denn Matze hat nie signalisiert, das er so schlecht in den Schulfächern ist. Ist ja auch peinlich. Viel schlimmer ist der Vater von Matze, der seinem Kind nichts zutraut und ihn vor seinen Freunden lächerlich macht und die Mutter unterstützt ihn auch nicht. Matze ist der einzige in der Freundesrunde, der vier Geschwister hat. Laurenz hat nur die kleine nervende Greta, aber die versteht es, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Auch der Gogol steht gern im Mittelpunkt.
Als die Observation des „Zielobjektes“ beginnt, wagt sich Jo so nah heran, dass er bald mit Schneewittchen, immerhin ist er drei Jahre jünger als sie, ins Gespräch kommt. Sie liest Gedichte von Emily Dickinson, spielt Debussy am Klavier für Jo und scheint wirklich nicht nur gut auszusehen, sie ist auch noch nett.
In Jo keimen so langsam die Gewissensbisse. Nur der Gogol, der es wie die anderen mit der Wahrheit manchmal nicht so genau nimmt, steuert entschlossen auf das Ziel zu. Jo besucht den Biglmaier und versucht ihm klarzumachen, dass er Matze unbedingt noch eine Chance, vielleicht eine Nachprüfung, gewähren sollte.
Als die Jungen dann Schneewittchen durch Zufall treffen, ist ihre Hand verbunden. Sie und ihr Vater hatten versucht, eine Hütte aufzubauen. Die Jungen bieten dem Mädchen einen Handwerker-Crashkurs an und locken sie so zu ihrem Geheimversteck, einer Hütte, die jetzt ein nagelneues Schloss hat. Wohl ist allen bei dieser Aktion nicht.
Und doch, kann man einen Freund im Stich lassen? Geht man ein Risiko ein oder gibt man gleich auf?
Aber der Gogol kann es nicht lassen, er stößt das Mädchen in die Hütte. Die anderen sind entsetzt, denn sie hat sich schwer verletzt.
„In diesem Moment, als ich dort vor dem Schneewittchen in der Notaufnahme stand, ihren Hinterkopf mit dem rabenschwarzen Haar und ihre Hand mit dem schneeweißen Verband betrachtete, da dachte ich: Ich habe am meisten Schuld. Weil ich die ganze Zeit wusste, dass es falsch ist und bös enden wird, wenn wir es durchziehen. Unser Komplott.“
Charlotte Inden bleibt mit ihrer unterhaltsam geschriebenen Geschichte im Rahmen der Möglichkeiten von befreundeten Kindern, die einfach nach einer Lösung suchen, Blödsinn anstellen und dafür Verantwortung übernehmen. Noch sind sie nicht schuldfähig für ihre Taten, aber das ist ihnen kaum bewusst. Der Erzähler ist ein feinsinniger Typ, der sich gegen seinen großen Bruder durchsetzen muss, wunderbar beobachten kann und vieles beschreibt, ob es nun Menschen und ihr Verhalten sind oder Blicke in die Landschaft. Charlotte Inden lässt ihn beschreiben, analysieren, die Dinge zum Teil durchschauen oder auch nicht, denn nichts ist übertrieben dargestellt, nichts unreal konstruiert. Der Leser schaut in die Familien der fünf Freunde und stellt fest, wie unterschiedlich jeder Junge lebt. Zusammenschweißt die drei in ihrem Vorhaben der Gedanke, dass Matze, sollte er sitzenbleiben, die Schule wechseln muss und sie sich nicht so oft sehen könnten. Auch die Erwachsenen werden erstaunlich normal gezeichnet, da ist die investigative Mutter von Jo oder der strenge, aber irgendwie doch verständnisvolle Lehrer. Schneewittchen jedenfalls ist schwer in Ordnung und die Jungen haben eine Menge gelernt, auch über sich selbst.
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