Petra Hartlieb: Meine wundervolle Buchhandlung, DuMont Buchverlag, Köln 2014, 208 Seiten, €18,00, 978-3-8321-9743-8
„Wir versuchen immer frisch und witzig zu sein, die Augenringe werden weggeschminkt, und wenn mich manchmal der Gedanke überfällt, dass das jetzt wirklich mein Leben sein wird, und zwar für die nächsten dreißig Jahre, und ich plötzlich nicht mehr sicher bin, das Richtige getan zu haben, versuche ich ihn schnell zu verdrängen. Immer vor dem Einschlafen wird mir bewusst, dass wir nicht mehr zurückkönnen.“
Wer heute eine Buchhandlung aufmacht, ist entweder ziemlich wohlhabend, gnadenlos idealistisch oder absolut weltfremd. Und doch der traditionelle Buchhandel in Deutschland hat vergangenes Jahr laut Umfrage beim Umsatz erstmals besser abgeschnitten als der Onlinemarkt. Immerhin haben die kritischen Dokumentationen über Amazon etwas gebracht, denn der Buchkäufer scheint doch ein „reflektierender Mensch“ zu sein, der genau hinschaut und mitdenkt. Man kann nur hoffen, dass das so bleibt, auch in Österreich.
Petra Hartlieb hat vor gut 10 Jahren mit ihrem Mann, der mit seiner Festanstellung bei einem Hamburger Verlag die Familie ernährte, ihr Dasein als Freiberuflerin in der Medienbranche aufgegeben, um ihren Traum zu verwirklichen. Sie ersteigert eine Buchhandlung in Wien. Nun stammt sie aus Wien und ihr Mann hat den Beruf des Buchhändlers erlernt und doch, hätte dieses an Übermut grenzende euphorische Abenteuer auch schief gehen können. Mit wahrlich viel Idealismus, geborgtem Geld von Freunden und einem Kredit der Bank stürzt sich das Ehepaar ins neue Berufsleben.
Sie ziehen allerdings nur mit einem Kind, der vierjährigen gemeinsamen Tochter, in die Josefstadt. Der 16-jährige Sohn bleibt in Hamburg bei Freunden, um das Schuljahr zu beenden. Beschwingt optimistisch und stellenweise trocken komisch klingt der Rückblick der Autorin, die mit einem Berliner Co-Autor für den Diogenes Verlag auch Krimis schreibt, deren Handlung in Berlin und Wien spielt.
Mit dem Ende des Latte-Macchiatto-Lebens in Hamburg beginnt ein arbeitsreiches in Wien. Doch Petra Hartlieb scheint die charmante Gabe zu besitzen, Menschen anzuziehen und zu überzeugen, nicht nur in Gesprächen über Literatur, sondern auch zum uneigennützigen Mithelfen. Als die Buchhandlung endlich „aufgesperrt“ werden kann, strömen die Kunden in den 40 m² Raum voller Bücher. Die bedeutend größere Wohnung über der Buchhandlung muss öfter als Warenlager herhalten. Es werden Bücher verkauft und bei Lesungen mal mehr mal weniger erfolgreich Buchtische aufgebaut. Es gibt Frusttage, aufreibende Gespräche mit allzu anspruchsvollen Kunden und Tage, an denen der Beruf einfach nur glücklich macht. Petra Hartlieb hat mit ihrer unkonventionellen Art eine gute Hand bei der Auswahl der Mitarbeiter und die Tochter organisiert sich in der Vorweihnachtszeit ihre Mahlzeiten in anderen Haushalten. Wäre der Dezember nicht und die Selbstausbeutung bis an die Schmerzgrenze, so das Fazit des real denkenden deutschen Ehemannes, die Buchhandlung könnte wieder „zusperren“. Und so liest sich Petra Hartliebs Erinnerungsbericht über erlebnisreiche Messetage in Frankfurt, absolut stressige Dezemberwochen, einmalige Lesungen mit bekannten Autoren, Frust bei Umbauten und Nervenzusammenbrüche mit neuer Technik, Kämpfen gegen Amazon und privaten Problemen, der Sohn kann sich einfach nicht an die neue Umgebung gewöhnen, unterhaltsam, voller kluger Beobachtungen und vor allem für Bücherfans, die hinter die Kulissen der totgeglaubten Branche schauen möchten, erhellend.
Petra Hartlieb verfällt nie in einen Jammerton, wenn es um die wirklich negativen Aspekte des Berufes geht, verschweigt aber auch nicht die Schattenseiten. Die Sonnenseite überwiegt allerdings, denn nichts ist schöner als sich in fremde Welten, aber auch reale Geschichten zu vertiefen, oder Menschen von der Kraft der Worte zu überzeugen. Ihr berufliches Lebensglück hat die Autorin offensichtlich gefunden und vielleicht überzeugt ihr Buch voller Lebenserfahrungen unternehmungslustige Menschen, die die Literatur lieben, zu Neueröffnungen von Buchhandlungen, denn die fehlen in vielen Orten. Leider.
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