Morgan Callan Rogers: Eisblaue See, endloser Himmel, Aus dem Amerikanischen von Claudia Feldmann, Mareverlag, Hamburg 2014, 480 Seiten, €20,00, 978-3-86648-228-9

„Das kleine Mädchen in mir, das sich gewünscht hatte, immer hier in The Piont zu leben, mit meinen Freunden und Freundinnen nebenan, und später dann auch mit deren Männern und Frauen und Kindern, drehte sich um und ging davon. An seine Stelle trat eine Frau, die die Dinge sah, wie sie waren.“

„Rubinrotes Herz, eisblaue See“, so hieß der Vorgängerroman, in dem die Hauptfigur, Florine, 11 Jahre alt ist. Sie liebt ihren Ort The Point in Maine, das Haus ihrer Gran mit dem herrlichen Ausblick aufs raue Meer und vor allem ihre Freunde. Als Florines Mutter Carlie plötzlich verschwindet, bricht ein Stück Idylle entzwei.
Der neue Roman „Eisblaue See, endloser Himmel“ beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung der Dinge, die vor 1971 geschehen sind. Carlie ist immer noch spurlos verschwunden und die Trauer der jetzt 19-jährigen Florine hält an. Inzwischen ist ihre Großmutter verstorben und auch ihr Vater ist durch einen Herzinfakt als Fischer auf dem eigenen Boot ums Leben gekommen. Optimistisch jedoch schaut Florine, die mittlerweile ruhiger geworden ist, in die Zunkunft, denn sie heiratet Bud, den zuverlässigen und bodenständigen Nachbarsjungen.

Schnell findet man sich als Leser in der kleinen Gemeinschaft von Buds Familie, den Freunden und Bekannten zurecht. Florine ist die Ich-Erzählerin und man kann sich durch ihren Blick auf die Geschehnisse ein gutes Bild von der Zeit, Glen, ein Freund wird nach Vietnam gehen, machen. Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen mit Stella, der letzten Frau von Florines Vater. Sie hasst Florine, ihren Schmerz um die Mutter und greift sie eines Abends völlig betrunken an. Und dann treffen diese Briefe in blauen Umschlägen ein. Erst ist Bud eifersüchtig, erkennt aber schnell, dass sie gar nicht an Florine gerichtet sind, sondern einst an Carlie geschickt wurden. Parker, der Polizist vom Ort, wird informiert.
Florine und Bud sind auf ihre Art glücklich und werden schnell Eltern von zwei gesunden Kindern, Arlee und Travis. Allerdings muss die Familie, da Bud in Stoughton Falls Arbeit als Mechaniker findet, umziehen. Durch die Geburt der Kinder vermisst Florine ihre Mutter mehr als je zuvor. Ida, Buds Mutter, nervt bei aller Hilfsbereitschaft Florine ab und zu durch ihre Gottesgläubigkeit und das Wegschauen, wenn es Konflikte gibt. Und langsam häufen sich die Probleme in der jungen Ehe. Bud ist durch seinen Job, obwohl Florine schweren Herzens mit ihm zieht und das Haus ihrer Gran nur noch ein paar Wochen im Jahr bewohnt, deprimiert. Er beginnt, wie sein Vater, zu trinken und wird dann ausfallend gegen seine Familie. Florine bereut nun ihre finanzielle Abhängigkeit, denn sie hatte die Schule ohne Abschluss beendet. Sie zieht zurück nach The Point.

Viele Nebenfiguren tangieren immer wieder das Leben von Bud und Florine, zum einen ist da Robin, die Cousine von Florine, die eigentlich in Kalifornien lebt und nun in Maine eine Ausbildung als Krankenschwester absolviert oder Dottie, die Freundin von Florine, die aufs College geht.

Immer mehr holt Florine, auch durch die Briefe, die Vergangenheit ein. Einst war sie mit Andy Barrington zusammen, dessen Vater eine Beziehung lang vor ihrem Vater mit Carlie hatte. Die Briefe stammen von Mr Barrington und Florine ist nach wie vor der Meinung, dass der unberechenbare und zum Jähzorn neigende Mann der Mörder ihrer Mutter ist.

Am Ende wird sich vieles auflösen, was zu Beginn noch so problematisch war. Stella wird einen neuen Mann kennenlernen und der Schleier, der sich so über Carlies Verschwinden gelegt hat, wird endlich gelüftet.

Die amerikanische Autorin Morgan Callan Rogers verlässt sich auf die monologische Rollenprosa, dabei erzählt sie keine spektakuläre Familiengeschichte und doch lässt man sich gern auf diesen epischen Langstreckenflug mit Florine ein. Ihr Innenleben erschließt die Autorin mit sprachlicher Sensibilität. Es sind die normalen, ja ab und zu schon banalen Geschehnisse, die die Figuren in ihrer unterhaltsamen Handlung auf die Probe stellen. Es geht um viele Themen, die angeschnitten werden: Alkoholismus, Eifersucht, Kriegstraumata, Hass, aber auch Freundschaft, Vertrauen und vor allem die Liebe.