Emma Straub: Die Tage der Kirschgärten, Aus dem Englischen von Barbara Schaden, Berlin Verlag, Berlin 2013, 362 Seiten, €19,99, 978-3-8270-1069-8

„Er hatte nicht gewusst, dass sie eine Rolle spielt. Und Laura hatte immer gedacht, dass aus dem Spiel mit der Zeit die Wahrheit werden würde.“

1929: Die neunjährige Elsa Emerson liebt das Theater ihrer Eltern. Im Sommer werden im Cherry County Playhouse neue Stücke aufgeführt, aber auch bewährtes Klassisches findet inmitten des Kirschgartens seine treuen Zuschauer. Am Daumen von Wisconsin wächst Elsa in Door County auf und schaut auf eine glückliche Kindheit, wäre da nicht der Selbstmord der bewunderten Schwester Hildy. Unglücklich verliebt, eventuell schwanger, scheint sie nur einen Ausweg gesehen zu haben.

Elsa heiratet mit 19 Jahren Gordon Pitts aus Florida, der als Schauspieler seine Erfolge im Theater ihres Vaters feierte. Sie gehen nach Los Angeles, denn Gordon will unbedingt als Filmschauspieler groß herauskommen. Es ist kaum die große Leidenschaft, die die beiden verbindet. Elsa wird gleich schwanger und Gordons vermeintlicher Aufstieg wird durch einen siebenjährigen Kleindarsteller-Vertrag bei den Studios von Gardner Brothers gedrosselt. Elsa wird zum zweiten Mal schwanger, findet keine Freunde und lebt ein unbefriedigtes Hausfrauen-Dasein bis zu dem Moment, wo sie den Studioboss Irving Green bei eine Party kennenlernt. Er erkennt ihr Potenzial, ihre „liebliche“ Ausstrahlung. Er rät ihr, das zweite Kind zu bekommen, 15 Pfund abzunehmen und dann bei ihm vorzusprechen. Außerdem gibt er ihr gleich einen Künstlernahmen, aus Elsa Pitts wird nun Laura Lemont. \r\n\r\nElsa / Laura ergreift ihre Chance, denn sie erkennt, dass sie mit dem zum Alkohol neigenden, ziemlich untreuen Gordon nicht das große Los gezogen hat. Sie wird geschieden und Irving Green erfindet für sie eine ganz eigene Biografie. Laura Lemont dreht ihren ersten Film und ihr Aufstieg in Hollywood scheint geebnet. Sie schließt Verträge mit Gardner Brothers, zieht in eine ansehnliche Villa, stellt ein treues schwarzes Kindermädchen Harriet ein und scheint angekommen zu sein. Zu Irving Green, einem blassen, leicht kränklichen, aber zupackenden Mann, entspinnt sich eine sanfte Leidenschaft. Die beiden heiraten, obwohl Lauras Mutter die Verbindung mit einem Juden nicht billigt.

Für den Film „Farewell, My Sister“ wird Laura sogar für einen Oskar nominiert und erhält ihn sogar. Nach der Geburt von Irving jun. scheint das Glück perfekt.

Die eher hausbackene Laura fügt sich in alles, was Irving ihr rät. Aber langsam verblasst im Laufe der Zeit auch Irvings exzellenter Instinkt bei der Auswahl der Schauspieler und Drehbücher. Er erkrankt und wird von Gardner Brothers gefeuert. Laura kündigt aus Solidarität mit ihrem Mann ihren Vertrag. Es sind die 1950er Jahre, die Filmindustrie befindet sich im Umbruch. Leicht verfremdet könnte man erkennen, wer sich hinter dem Filmstudio, den Schauspielern oder gar Filmen versteckt.

Irving Green verstirbt und Lauras Traumwelt, in der sie sich sorglos eingerichtet hat, zerplatzt. Kleine blaue Pillen erleichtern Laura den Tagesablauf. Nie hat sie sich um die finanziellen Dinge gekümmert und sie lebt auch in der Vorstellung, dass Irving ihr Leben und das der Kinder abgesichert hat. Doch hier unterliegt sie einem Irrtum.
Nach dem Verkauf der Villa, erfolglosen Auftritten in Filmproduktionen oder Fernsehshows landet Laura als Mädchen für alles in einem kleinen exquisiten Salon, der sich um die neue Garderobe der Stars kümmert.
Als 60-jährige Schauspielerin wird Laura nochmals einen Auftritt am New Yorker Broadway haben, einem Stück, dass auch ihr Vater einst in seinem Theater im Kirschgarten aufgeführt hatte.

Elsa / Lauras Dasein ist geprägt durch ihre glückliche Kindheit, die Tage der Kirschgärten. Doch wessen Leben führt sie eigentlich? Sollte nicht Hildy die Erfolge einheimsen, die fälschlicherweise ihr zugesprochen wurden? Immer hat sich Laura bei der Arbeit da hingestellt, wo ihre Markierung war. Sie hat ihren Text gesprochen und war doch am glücklichsten zu Hause bei ihrem Mann und den Kindern, die sich nie trotz all der Schicksalsschläge von ihr abgewandt haben. Ihre eigene Mutter hat den Kontakt zu ihrer Tochter unterbrochen, denn sie war enttäuscht von ihr und ihrem fernen, so reich erfüllten Leben an der Seite Greens.
Träume und Schäume Hollywoods – Laura Lemont hat mit ihrem Talent und unter der Führung Irvings darin gelebt und ist glamourös gescheitert.