Katherine Hannigan: Die Wahrheit, wie Delly sie sieht, Aus dem Englischen von Susanne Hornfeck, Carl Hanser Verlag, München 2014, 280 Seiten, €14,90, 3-446-24513-8
„Dann schoss Ferris Boyd in die Höhe. Aber Delly konnte die Botschaft noch immer sehen. Sie glaubte, den Schmerz zu spüren, der sich in das Fleisch biss.“
Die 11–jährige Delly gerät pausenlos in Schwierigkeiten. Immer lauert der Ärger, wenn die kleine Delly mit ihrer kratzigen Stimme und den wilden roten Locken eigentlich nur Gutes bewirken will. Aber Delly kann einfach nicht anders. Sie hat einfach Lust, mit dem Kahn des Nachbarn den Fluss hinabzufahren, sie lässt die Hühner aus ihren Käfigen frei, wenn sie das Gefühl hat, so sei es besser und sie prügelt sich mit ihrer nervigen Schwester oder auf dem Schulhof, wenn es ungerecht zugeht. Doch Delly, die aus einer kinderreichen Familie stammt, bringt alle an den Rand des Wahnsinns. Die Polizistin des Ortes hat sie auf ihrer Liste der Schulschwänzer ganz oben zu stehen und da kann Delly noch so originell die Leute mit erfundenen Wörtern beeindrucken, der Schulverweis scheint nahe.
Doch dann, eines Tages, steht Ferris Boyd, das dünne Kind, das mit seinen kurzen Haaren aussieht wie ein Junge, in der Klasse. Die Neue spricht nicht, sie will nicht angefasst werden und spielt wunderbar Basketball. Ferris Boyd erregt Dellys ganze Aufmerksamkeit. Langsam nähert sich Delly diesem rätselhaften Mädchen, hinter dessen schmerzhaftes Geheimnis der Leser gelangen wird.
Mit RB, ihrem kleinen, anhänglichen Bruder, der Delly über alles liebt, verbringen Ferris Boyd und Delly herrliche Stunden in der freien Natur. Nur wenn dieser grüne Wagen am Haus von Ferris Boyd steht, dann erstarrt das Mädchen und plötzlich scheint alles zu gefrieren.
Delly jedenfalls verbessert sich und wird inzwischen von den Lehrern für ihr Verhalten gelobt. Keine Frage, das hat sie dem ruhigen Einfluss ihrer neuen Freundin zu verdanken. Ferris Boyd hat der lebhaften Delly erklärt oder eher aufgeschrieben, dass es ratsam sei, bei manchen Dingen einfach zu fragen und schon ist aller Ärger gebannt.
Katherine Hannigan erzählt stilsicher und mit einer guten Beobachtungsgabe von einem vor Leben nur so übersprühenden Mädchen. Die langsam sich entwickelnde Freundschaft der beiden Protagonistinnen, die instinktiv vorsichtig aufeinander zugehen, berührt zutiefst und verstrickt Delly aber auch wieder in einen neuen Konflikt, den sie beinahe mit einem Ausraster lösen wollte. Aber Ferris Boyd wird sie retten. Wunderbar leicht lesen sich die Dialoge der Kinder, gesprochen und teilweise auf Papier von Ferris Boyd festgehalten, die von naiver Weltsicht und tiefem Vertrauen zueinander erzählen.
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