Polly Horvath: Wie wir das Universum reparierten, Aus dem Englischen von Katrin Behringer, bloomoon, Verlag ArsEdition, München 2014, 301 Seiten, €14,99, 978-3-8458-0199-5
„Das hat man davon, wenn man mit anderen zusammenlebt. Letzten Endes läuft alles darauf hinaus, dass man seltsame und völlig unsinnige Dinge tut, wie zum Beispiel jemanden anzuflehen, er solle etwas tun, das offensichtlich wieder er noch man selbst möchte, und alles nur, um die Person von der Zuneigung zu überzeugen, die man gar nicht für sie empfindet und die sie sowieso nicht will, und das wiederum tut man nur, um keinen Schaden anzurichten oder um den Schaden, den man unwissentlich angerichtet hat, wiedergutzumachen.“
Onkel Martens Gedankengänge sind ab und zu etwas kompliziert und schwer nachzuvollziehen. Aber man sollte es ihm nachsehen, denn er ist es nicht gewohnt auf andere Menschen zuzugehen. Dabei ist der reiche Eigenbrödler mit vielen Brüdern aufgewachsen und kennt auf jeden Fall ein turbulentes Familienleben. Doch nun sind zwei seiner Brüder, sie waren nicht wie Marten Privatwissenschaftler, sondern Piloten, in Simbabwe mit ihren Frauen bei einem Zugunglück ums Leben gekommen. Die einzig Überlebende ist die sechzehnjährige Jocelyn. Ihre ein Jahr jüngere Cousine Meline musste zu Hause bleiben. Über Nacht muss sich nun der kinderlose Onkel Marten um seine Nichten kümmern. Allerdings wohnt er auf einer einsamen Insel vor British Columbia in einem riesigen Haus. Die Pflegschaft stellt den Onkel, der nichts so sehr liebt wie die Stille, vor ungelöste Probleme. Wie kümmert man sich um zwei Waise, die man kaum kennt?
Beide Mädchen mögen einander nicht und jede versucht auf ihre Art, Jocelyn mit offener Trauer, Meline mit Ruppigkeit und Pragmatismus, mit dem Verlust der Eltern klarzukommen.
Aus den Perspektiven der verschiedenen Figuren, Meline, Jocelyn, Onkel Marten und der uralten jüdischen Haushälterin Mrs. Mendelbaum erzählt Polly Horvath ihre skurrile Geschichte. Die kanadische Autorin hat ja bereits in ihren bereits erschienenen Romanen eine große Vorliebe für schräge Hauptfiguren. Auch in diesem Buch prallen unterschiedlichste Charaktere aufeinander. Marten stellt zwar sein Haus mit all seinen Bücherschätzen zur Verfügung, aber wirklich Anteil am Schicksal der Menschen um ihn herum, will oder kann er nicht nehmen. Komisch auch die Vorstellung, dass der wohlhabende Onkel sich so allerlei Dinge aus dem Internet bestellt, die der Hubschrauberpilot Sam irgendwo über der Insel abwirft. Meistens landen die Dinge zerschlagen im Wasser oder in den Bäumen.
Mrs.Mendelbaums gesamte Familie ist verstorben. Auch sie trägt Trauer, allerdings unter einer harten Schale. Klar ist, sie kann die Arbeit in dem riesigen Haus nicht allein schaffen, ein Butler, der sich Sorgen um die Mädchen macht, muss her. Der umsichtige und einfühlsame Humdinger wird eingestellt, ein langgewachsener Mann, der wie ein Geist durchs Haus schwebt, Pfefferminzbonbons verteilt und immer zur rechten Zeit am rechten Ort ist.
Als Onkel Marten ein wundervolles Weihnachtsfest ausrichten will, geht alles schief, kein Happy End. Allein die richtigen Requisiten reichen nicht aus, um die Stimmung zwischen den Menschen zu verbessern. Außerdem verbirgt die Insel ein Geheimnis, hinter das die Mädchen nach und nach gelangen. Meline hat nämlich beschlossen, dass sie und Jocelyn endlich eine Aufgabe benötigen. Da auf der Insel Experimente mit Piloten und ihren Flugzeugen, die leider auch tödlich endeten, getätigt wurden, liegen überall Flugzeugteile herum. Warum sollte man sich nicht, meint Meline, ein Flugzeug zusammenbauen?
Es ist eine seltsame Schicksalsgemeinschaft, die sich da auf der pausenlos verregneten Insel trifft. Jede Person schottet sich wie ein Eiland gegen die andere ab. Das geschieht aus vielerlei Gründen, die einen können einfach, auch aus Kummer, keine Empathie mehr empfinden, die anderen wollen keine Beziehungen mehr eingehen aus Angst vor neuen Enttäuschungen.
Letztendlich klärt sich vieles auf und auch Humdingers wahre Identität wird offengelegt. Ob das Universum sich für alle wieder in die richtige Position begeben wird, bleibt offen.
Trauer und Komik liegen in dieser vielschichtig zu lesenden Geschichte eng beieinander und das macht sie so sympathisch trotz aller Verschrobenheit der Erwachsenen.
Schreibe einen Kommentar