Sabine Thomas: Und konnten es einfach nicht fassen, Ullstein Verlag, Berlin 2013, 237 Seiten, €16,99, 978-3-550-08037-1

„Minervas Leben war ins Trudeln geraten, hilflos, orientierungslos fühlte sie sich allem ausgeliefert, was ihr widerfuhr.“

Viele Geschichten beginnen, da ist noch alles in Ordnung. Doch dann stellen sich die Brüche in den Biografien ein, eine große Liebe kommt abhanden, Verzweiflung greift um sich, Menschen finden eine andere Orientierung und die Unsicherheit und auch die Tragödien nehmen ihren Lauf.

In kurzen Schlaglichtern beleuchtet die Juristin Sabine Thomas Fälle, die vor Gericht landen. Ein harmloses fröhliches Grillfest endet in einer schrecklichen Katastrophe. Ein kleines Kind wird von den auflodernden Flammen erfasst und der Patentante, die es retten will, zerfrisst das Feuer Gesicht und Arm. Die junge Retterin ist gezeichnet für ihr Leben und ihr Ehemann kann mit ihrer äußeren Veränderung nicht leben. Er will die Scheidung. Die junge Frau ergibt sich seltsam ruhig in ihr Schicksal, doch ihr Vater wehrt sich vehement gegen den Verrat des Schwiegersohns.

Ein junger Mann gerät schnell auf die schiefe Bahn, landet letztendlich wegen Mordes im Gefängnis. Seine starke Ehefrau sucht nicht das Weite, sie hält trotz lebenslänglicher Strafe zu ihm, schafft es indirekt, dass ihr Mann seinen Weg zu sich selbst findet.

Ein sehr unterschiedliches Paar verliebt sich, aber der Kinderwunsch stellt sich nicht ein. Er sucht sich eine andere, denn seine Frau geht auf die 40 zu und diese neue Freundin wird schwanger. Mit dieser Tatsache und der Forderung nach einer schnellen Scheidung wird die Verlassene nicht fertig.

Ein Vater missbraucht die eigene Tochter, ein türkischer Ehemann kann sich aus seinen Verhaltensmustern nicht lösen und schlägt seine Ehefrauen. Die erste verlässt ihn mit den drei Kindern, die zweite tötet ihn.

Großeltern müssen mit ansehen, wie nach dem Tod des Sohnes, die Schwiegertochter alle familiären Kontakte abbricht, ihre Partner ständig wechselt und die Kinder vernachlässigt. Ja, die Kinder, sie sind wie immer das schwächste Glied in der Kette.

Alkohol vernichtet in zwei Geschichten die einst innigen Kontakte ohne Erbarmen und führt zu Tragödien. Der Kampf um das Sorgerecht des eigenen Kindes endet vor Gericht.

Immer dann ist Sabine Thomas zur Stelle und erzählt von ihren Erfahrungen mit den sehr unterschiedlichen Fällen. Aber sie ist nicht immer die Siegerin, sie leistet sich Fehlurteile, kann aber auch schlichten.

Alle beschriebenen Schicksale sind von Menschen verursacht, es kam zu falschen Entscheidungen, zu Verletzungen und Straftaten.

Aber es passieren auch Dinge, die die Juristin vor Rätsel stellt. So hat sich offenbar ein Mediziner seiner Ehefrau in Italien entledigt, aber niemand kann es ihm nachweisen, da keine Leiche auftaucht.

Selten sind es die spektakulären Fälle, die Sabine Thomas beschreibt, aber es sind fast immer emotional ergreifende Geschichten. Vielleicht wünscht man sich beim Lesen mehr Details, ausführlichere Schilderungen der Beweggründe der Handelnden. Möglich. Aber eigentlich bietet jede oftmals gar nicht so lang verfasste Geschichte einen ausreichenden Einblick in den entscheidenden Lebensabschnitt der Menschen und damit genug Raum zum Nachdenken.