M. L. Stedman: Das Licht zwischen den Meeren, Aus dem Englischen von Karin Dufner, Limes Verlag, München 2013, 448 Seiten €19,99, 978-3-8090-2619-8

„Er bedauerte, was er getan hat, und verspürte gleichzeitig eine tiefe Erleichterung, zwei Gefühle, die er nicht miteinander in Einklang bringen kann.“

1920: Einsam und völlig abgeschieden leben Isabel und Tom Sherbourne auf der Insel Janus Rock im Südpolarmeer. Er ist der wortkarge Leuchtturmwärter, den sie für sich erobert hat. Nach dem Krieg ist die Auswahl unter den jungen Männern nicht groß und Tom ist ein guter, verlässlicher Mann. Tom ringt mit sich, weil er so körperlich unbeschadet aus den Kämpfen zurückgekehrt ist. Ohne die Hilfe der Familie, zum verhassten Vater und Bruder hat er keinen Kontakt mehr, arbeitet Tom an seiner beruflichen Laufbahn. Isabel und Tom richten sich ihr Leben in der Abgeschiedenheit ein und alles wäre auch gut, wenn Isabel endlich ihr Baby austragen könnte. Sie durchleidet mehrere Fehlgeburten und ist kurz vorm Verzweifeln, da strandet nach sechs Jahren ein Boot mit einem toten Mann und einem schreienden Baby an der Insel. Isabel, die gerade wieder eine Totgeburt zu beklagen hat, nimmt sich des Mädchens an, kann sie sogar stillen und nennt sie Lucy.

Da im Boot eine Strickjacke von einer Frau liegt, nehmen Tom und Isabel an, dass die Mutter über Bord gegangen ist. Gegen alle behördlichen Vorschriften und sein Gewissen beerdigt Tom den Fremden und Isabel behauptet, zeitlich wäre es durchaus möglich, dass Lucy ihr eigenes Kind ist.
Die neue Mutter schiebt jegliche Zweifel an ihrem Handeln rigoros beiseite, auch als sie weiß, dass Lucys leibliche Mutter lebt und leidet.

Lucy ist ein Segen für alle. Isabel gewinnt wieder ihre alte Lebenskraft und ihren Humor, die Großeltern sind glücklich. Auch wenn Tom von der Liebe zu dem Kind überwältigt wird, plagen ihn schwere innerliche Vorwürfe. Wie konnte er mit seiner Verantwortung für die Belange der Insel so fahrlässig umgehen? Warum haben sie das Kind nicht gemeldet, um sich dann um die Adoption zu bemühen? Tom weiß, dass er Isabel mit dem Kind das größte Glück geschenkt hat, aber er ahnt auch, dass es auf keinen Fall der richtige Entschluss war.

Lucys leibliche Mutter, Hannah Roennfeldt, wohnt im nahen Ort. Sie hatte einen Österreicher, der zu Kriegszeiten im Internierungslager war, geheiratet. Der Hass der Bevölkerung schlägt diesem Mann entgegen und auch Hannahs Familie konnte sich mit der Verbindung nie abfinden. Vom Mob der Straße gejagt floh Hannahs Mann mit dem Baby, eingewickelt in die Jacke der Mutter, ins Boot und strandete an Janus Rock. Die Ungewissheit über das Schicksal von Mann und Kind haben Hannah vorzeitig altern lassen. Als Tom diese Geschichte bei einem Urlaub hört, mehren sich die Gewissensbisse. Er schreibt Hannah anonym, dass ihr Kind lebt.

Als Lucy vier Jahre ist kommt es sogar zu einer Begegnung zwischen dem Kind und Hannah, die ihr Mädchen nicht erkennt. Die extrem hohe Belohnung, die der wohlhabende Vater von Hannah aussetzt hat, führt letztendlich dazu, dass durch ein Foto der Rassel des Kindes, Tom hatte sie der Mutter zugesandt, einer der Bekannten von Tom ihn denunziert.

Die Polizei von Albany geht der Sache nach und Lucy kehrt nun zu ihrer leiblichen Mutter zurück. Isabel kann den Verlust der Tochter nicht verkraften. Sie verwehrt jegliche Aussage und akzeptiert, dass Tom alle Schuld auf sich nimmt. Sergeant Spragg, der den Fall seines Lebens wittert, versucht Tom als Mörder zu überführen und ihm zu unterstellen, dass er Hannahs Mann getötet hat. Hannahs Hoffnungen, dass ihr Baby wieder bei ihr sein würde, erfüllen sich nicht. Lucy wehrt sich vehement gegen die „Hexe“, die plötzlich ihre Mutter sein soll.

Emotional aufwühlend und psychologisch nachfühlbar erzählt die australische Autorin M. L. Stedman in ihrem Debütroman von zwei Menschen, die aufgrund der beruflichen Situation Toms eng aufeinander angewiesen sind. Isabels innigster Wunsch nach vielen Kindern geht nicht in Erfüllung. Im Hintergrund dieser Geschichte spielt aber auch der Krieg eine wichtige Rolle, der ganze Familien auseinandergerissen hat. So starben fast zeitgleich Isabels Brüder in der Ferne. Die Hoffnung auf Enkelkinder kann Isabel nicht erfüllen und zerbricht beinahe daran. Lucys Gegenwart lindert das Vergangene in gewisser Weise. Keine höhere Instanz kann die gemeinsame Entscheidung von Tom und Isabel rechtfertigen, verstehen kann man sie allemal. Mit der Anwesenheit Lucys und Toms inneren Qualen leidet aber auch die Beziehung des Paares. Beide können erst wieder zueinanderfinden als Isabel klar wird, in welch tiefe Schwierigkeiten sie ihren Mann mit ihrem egoistischen Verhalten manövriert hat.