Sharon Creech: Wie Zola dem Engel half, Aus dem Amerikanischen von Adelheid Zöfel, Fischer Schatzinsel Verlag, Frankfurt a.M. 2012, 160 Seiten, €12,95, 978-3-596-85429-5
„Ich habe keine Flügel.“ Das sage ich ganz langsam, weil ich nicht so sauer klingen will, aber ich bin echt beleidigt. „Ich bin kein Vogel. Ich bin ein Engel.“
Seit Urzeiten wohnt der Engel im Steinturm der Casa Rosa. Hier hat er seine Hängematte aufgehängt, besucht die Ziegen, um sich zu entspannen und genießt die gute Zeit und Luft in den Alpen der Schweiz. Er kann zwar viele Sprachen, aber ab und zu verändert er die Worte, z.B. in „überraschelt“, „Zufriedlichkeit“ oder „kommandierlich“. Ob der Engel, aus dessen Sicht diese leichte Geschichte erzählt wird, eine Aufgabe hat, weiß er nicht so genau. Möglicherweise ist er noch in der Ausbildung, aber was heißt das schon. Er ist noch unfertig, er hat einfach keine Mission. Allerdings stören ihn auch ein paar Dinge auf Erden. Wie kann es sein, dass einige Menschen ihr Geld dafür ausgeben, um sich die Nägel anmalen zu lassen und die anderen wühlen nach Lebensmitteln im Müll.
Als die seltsam bunt angezogene Zola mit ihrem abgerissenen Haarschnitt nebst ihrem Vater, Mr Pomodoro, der einfach dem Stadtstreß entkommen will, im kleinen Ort auftaucht und in den Turm einzieht, verändert sich das sorgenfreie Leben des Engel.
Zola jedenfalls kann den „Bodendienst-Engel“ sehen. Sie krempelt sein behagliches Dasein um und fordert ihn auf, endlich etwas zu tun, z.B. für die Kinder, die in einer verfallenen Scheune hausen. Zolas bestimmende Art, ihre neugierigen Fragen und ihre Aufforderungen stürzen den Engel in eine Identitätskrise. Was ist eigentlich seine Aufgabe? Da er nie zu anderen Engeln direkten Kontakt hat, kann er sich auch nicht austauschen. Außerdem weiß er nicht, wo der himmlische Himmel ist.
Im guten Glauben an die Menschheit suggeriert er den Leuten im Ort im Schlaf, dass die acht elternlosen Kinder Hunger haben. Aber die Leute sind nur verärgert, denn nun wissen sie, wer ihnen ihre Sachen gestohlen hat.\r\nZola ist sauer auf den hilflosen Engel und erwartet etwas mehr Einsatz.
Jetzt nimmt sie die Sache in die Hand und bringt die Kinder in den Turm, damit ihr Vater sie in seiner geplanten Schule aufnehmen soll. Allerdings ist das schwierig, denn die verwahrlosten Kinder, die aus verschiedenen Waisenhäusern und Ländern stammen, haben keine Papiere.
Auch wenn Signora Divino und ihr lauter Enkelsohn nicht gerade freundlich zu Zola und ihrem Vater waren, machen sie den ersten Schritt auf die Kinder zu. Signora Divino kocht Ravioli. Alles renkt sich ein und sogar Zolas Mama und Bruder kommen aus dem fernen Amerika, um in der Schweiz zu wohnen.
Trotz Gerechtigkeitsgefühl und ausgeprägtem Mitgefühl scheint der leicht verwirrte Engel, in dieser Geschichte die Bodenhaftung verloren zu haben.
Bei aller Sympathie für seine Begeisterungsfähigkeit an der herrlichen Natur lebt er weltfremd in seinem Turm und braucht erstmal einen Anschub. Zola lässt ihm keine Sekunde Ruhe und von ihr lernt er so einiges über das menschliche Zusammenleben.
Für Wortspielereien hat Sharon Creech ein Händchen. So spielt sie mit der Sprache des Engels und lässt immer wieder italienische Worte einfließen.
Wunderbar unsentimentale Geschichte über ein starkes Kind und einen himmlischen Boten ohne Helfersyndrom.
Schreibe einen Kommentar