Guillaume Musso: Vielleicht morgen, Aus dem Französischen von Bettina Runge und Eliane Hagedorn, Osterwold audio, Hamburg 2014, Gekürzte Lesung mit Heikko Deutschmann, 6 CDs, 450 Minuten, €19,99, 978-3-86952-220-3
„Wie weit kann man aus Liebe gehen? Weit, sehr weit.“
Matthew Shapiro lebt als alleinerziehender Vater mit seiner vierjährigen Tochter in Boston. Mit dem Gehalt eines Philosophie-Professors und durch seine Untermieterin April kann er geradeso sein Haus im Altstadtviertel halten, denn seit dem Unfalltod seiner Frau Kate vor einem Jahr, am 24. Dezember, läuft alles nicht mehr so gut wie früher. Sie war die Liebe seines Lebens, eine attraktive, intelligente Herzchirurgin. Als Matthew auf einem Flohmarkt einen Laptop ersteht, findet er auf der doch angeblich gelöschten Festplatte Fotos von Emma Lovenstein. Sie arbeitet als Sommeliére in einem großen New Yorker Hotel. Matthew schreibt ihr und sie antwortet ihm, dass das nicht ihr Rechner sein kann. Beide fühlen, dass sie auf einer Wellenlänge sind und schon steht die erste Verabredung. Matthew fliegt nach New York und obwohl beide im gleichen Restaurant sind, treffen sie einander nicht. „Dreckskerl“ schreibt Emma dem Unbekannten. Sie hat es satt, von Männern ausgenutzt zu werden, sie fühlt sich einsam, verloren und vor allem fehlt es ihr an Sicherheit in ihrem Leben. Er verteidigt sich und plötzlich verstehen beide, auch wenn das gar nicht möglich sein kann, dass das Zeitparadoxon zugeschlagen hat, er lebt im Jahre 2011 und sie im Jahr 2010.
Durch diese phänomenale Erkenntnis ist klar, alles wird sich für die beiden verändern, denn Matthew erkennt seine Chance. Emma muss verhindern, dass seine geliebte Kate am Heiligabend in ihr Auto steigt und von einem LKW übersehen wird.
Emma ist zerfressen vor Eifersucht. Sie beobachtet Matthew, Kate und die kleine Emily, die harmonische, glückliche Kleinfamilie, die sie sich immer gewünscht hat.
Doch nicht immer ist das, was man sieht, die Wirklichkeit.
Matthew bedrängt Emma in seinen Mails. Er offenbart ihr auch, warum er im Besitz ihres Laptops ist. Sie wird ihrem Leben selbst eine Ende setzen. Im Laufe ihrer Recherchen, sie bricht sogar in Matthews Haus ein, denn sie hat Kates Schlüsselbund gestohlen, entdeckt Emma, dass Kate nicht die Frau ist, für die sie Matthew und alle Welt hält. Sie hat, und dafür gibt es einen Beweis, einen Liebhaber, einen reichen Unternehmer aus dem IT-Bereich. Über diese ungeheuerliche Tatsache kann sie Matthew noch unterrichten, doch dann kippt Emily ihren Kakao über den Laptop und die Verbindung ist gekappt.
Matthew beginnt zu zweifeln, er glaubt sogar, dass Emily nicht seine Tochter ist und vieles spricht dafür. Der Hörer ist durch die Hintergrundgeschichten der einzelnen Figuren, auch die über Kates Jugenderlebnisse, immer ein Stück voraus.
Welches Doppelleben hat Kate geführt und wie sah ihr Plan aus? Welche Rolle spielt ihre Vergangenheit? Wie kann Matthew mit Emma wieder Kontakt aufnehmen? Und warum sollte eigentlich Matthew sterben und nicht Kate?
Geschickt komponiert der französische Autor Guillaume Musso aus einer harmlos wirkenden anfänglichen Liebesstory durch den Zeitsprung – Trick einen absolut spannenden Plot über Identitätsschwindel, Glückssuche und Lebenslügen. Er wirft, wie so oft bei Zeitreisen, die Frage auf, ob man ins Schicksal eingreifen kann. Sprachlich unaufgeregt, ohne jedoch unpräzise zu formulieren, konzentriert sich der Unterhaltungsroman auf die kaum mögliche und doch vorstellbare Geschichte hinter den Kulissen einer wohlsituierten Beziehung.
Der Schauspieler Heikko Deutschmann ist ein absolut souveräner Erzähler, der mit seiner sonoren, angenehmen Stimme und seiner ruhigen Vortragsweise den Leser bis zur letzten Minute in Atem hält.
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