Karin Koch, Iris Wolfermann ( Ill. ): Tilda und der Duft der Welt, Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2015, 48 Seiten, €9,99, 978-3-7795-0516-7
„Ich glaube, Papa wird nie mehr bei uns einziehen. Er wohnt schon so lange nicht mehr bei uns. Vielleicht hunderttausend Wochen.“
Tilda erobert sich ihre Welt über alle möglichen Gerüche. Sie kann Steine riechen, sie liebt den Duft der geraspelten Muskatnuss und sie bemerkt, wie schlecht es bei ihrem Papa müffelt. Immer wenn sie bei ihm ist, muss sie die Fenster öffnen. Tildas Eltern leben getrennt und die Geschwister, Tilda und der vierjährige Hans, hoffen immer noch, dass Mama und Papa sich wieder vertragen. Aber Tilda ahnt, dass das einer ihrer unerfüllbaren Wünsche bleiben wird.
Wenn die Kinder beim Papa sind, geht es ziemlich lustig zu. Sie baden alle zusammen und sie spielen das Spiel, bei dem Tilda und Hans mit geschlossenen Augen Geräusche in der Küche erraten müssen. Bei Papa kann es auch gut riechen, wenn es Pfannkuchen gibt.
Wenn die Kinder bei ihrem Papa sind, dann haben sie Freiheiten, die Tildas Mama eher kritisch beurteilt. Und so fordert die Mutter auch nach jedem Besuch beim Papa genaueste Beschreibungen darüber, was sie denn alle so unternommen haben. Und Tilda gibt einen ehrlichen Lagebericht:
„Wir haben wieder nicht die Zähne geputzt“, hab ich dann gesagt. „Und die Marmelade für die Pfannkuchen war alle. Und Papa ist vor dem Fernseher eingeschlafen. Am Morgen lag er in seinen Kleidern auf dem Sofa. Und im Fernsehen kam eine Sendung mit Krieg.“
Nach diesen Schilderungen dürfen die Kinder nicht mehr den Papa besuchen. Immer sind alle wütend, stellt Tilda fest. Nicht nur Hans ist sauer, auch Tilda vermisst ihren Papa und denkt sich Geschichten über ihn aus. Der erwachsene Leser ahnt, welche Konflikte Tildas Eltern über die Kinder miteinander austragen. Als dann der Papa die Kinder spontan zu einem Urlaub abholt, eskaliert die Handlung, denn diese Reise zum See war nicht abgesprochen. Tildas Mutter holt die Kinder nach einem heftigen Telefonat sofort wieder ab. Im Garten finden die Geschwister dann ein neues Trampolin und das lenkt sie von ihrer Enttäuschung ab. Doch keine Frage, die Kinder vergessen ihren Papa nicht. Hans redet ständig über ihn und als er sich im Gartenhaus im Winter einschließt und nur von seinen Papa befreit werden will, muss Tildas Mutter handeln. Einigen können sich die Eltern nicht, ein Richter muss entscheiden, ob der Vater seine Kinder wiedersehen darf.
Das Gezerre der Eltern um die Kinder nach einer Trennung, die Konkurrenz, die sie sich gegenseitig machen, um sie auf ihre Seite zu ziehen, die Streitereien über Unzulänglichkeiten und letztendlich der Entzug der Kinder, davon erzählt diese einfühlsame Geschichte. Aus der Perspektive der kleinen Tilda erfährt der Leser, wie Kinder über die Trennung ihrer Eltern reflektieren und wie sehr sie den abwesenden Vater vermissen und lieben, auch wenn er nicht vollkommen ist.
„… aber am meisten tröstet mich sein Geruch. Papa riecht so gut. Er duftet nach Holz und nach Erde und sogar ein bisschen nach Muskatnuss.“
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