Friedrich Ani: Süden und das heimliche Leben, Knaur Taschenbuch, München 2012, 203 Seiten, €8,99, 978-3-426-50937-1
„Sie konnten nicht anders, es entsprach ihrer Natur. Sie waren Nomaden des Augenblicks.“
Nachdem Tabor Süden seine Arbeit bei der Polizei gekündigt hatte, eine Zeit lang kellnerte, nahm er einen Job in einer Privatdetektei an und macht da weiter, wo er als Polizist aufgehört hatte: bei der Rekonstruktion von fremdem Leben.
Bei diesem Fall legte eine Gemeinschaft von Kneipengängern und eine Wirtin ihr Geld zusammen, um Süden zu engagieren. Er soll die vermisste Kellnerin Ilka Senner suchen. Und Süden hört sich alles an, was die Gruppe über die tüchtige und immer gut aufgelegte Ilka zu sagen hat. Wenig. Niemand kennt die Frau, die bei allen so geschätzt ist. Ihre Schwester Paula, gerade wieder nach München gezogen, kann nichts erzählen.
Süden erfährt nur, dass Ilka eine schwere Kindheit hatte. Sie musste im Fahrradladen des Vaters helfen, der, wenn die Dinge nicht nach seinem Kopf liefen, emotionslos zuschlagen konnte. Die Mutter schaute weg und prügelte weiter als der Vater starb. Ilka ging kaum in die Schule und Süden vermutet, dass sie Analphabetin ist. Die Wirtin der Kneipe „Charly’s Tante“ hatte ihr angeboten, das Gasthaus zu übernehmen. Aber Ilka konnte sich nicht entscheiden, es gab Streit.
Süden hofft, dass Ilka sich nicht getötet hat, wie so viele, deren Fotos in Zeitungen erscheinen. Ruhig und bedacht beginnt Süden seine Ermittlertätigkeit und entdeckt, dass Ilkas Wohnung nicht überstürzt verlassen und offenbar regelmäßig gut durchlüftet wurde. Doch wo ist sie? Wen hat sie um Hilfe gebeten? Immer schwingt in den Fällen von Tabor Süden eine bestimmte Melancholie mit, eine Traurigkeit, die sich auf ihn und seine Arbeit überträgt.
Die „Süden“-Reihe von Friedrich Ani beweist, ein guter Krimi kann auch geschrieben werden ohne Tote, sinnlose brutale Gewalten und Verstrickungen bis hoch in gesellschaftliche Kreise. Alles was mit Ilka geschehen ist und geschehen wird, erschließt sich dem Leser auf logische Weise und versetzt ihn in eine Betroffenheit, die nur gute Literatur hervorrufen kann.
Schreibe einen Kommentar