Anna Enquist: Streichquartett, Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers, Luchterhand Verlag, München 2015, 288 Seiten, €19,99, 978-3-630-87467-8

„Als sie fertig sind, ist es ungewöhnlich still. Sie sehen einander an, legen ihre Instrumente weg, stehen auf, kreisen mit den Schultern und dehnen die Arme. Schweigend. Keiner will die Verzauberung brechen.“

Sie sind eine eingeschworene Gemeinschaft und sie lieben es, zusammen Quartette von Mozart oder Schubert zu spielen. Die Musik ist wie ein Anker für alle, denn sie fühlen auf welcher besonderen Insel sie sind, wenn sie musizieren. Aber aller Leben driftet auch auseinander, denn Carolien, die Cellospielerin und ihr Mann Jochem, die Bratsche, müssen einen schweren Schicksalsschlag verkraften. Durch einen Busunfall haben sie ihre beiden Söhne verloren, die an einem Schulausflug teilgenommen hatten. Carolien, die als Ärztin arbeitet, fällt immer wieder in Depressionen zurück, träumt von ihren Kindern, trauert und spürt doch, dass ihr Mann ihre Gefühlsschwankungen nicht mehr ertragen kann. Doch der Rückweg zur Normalität ist für Carolien versperrt. Sie kann ihre Freundin Heleen mit ihren drei Söhnen zu Hause nicht besuchen. Die etwas dickleibige Heleen arbeitet als Arzthelferin mit Carlien in der Praxis, sie spielt die zweite Geige. Aus sozialem Engagement und dem Gefühl, etwas für Benachteiligte tun zu müssen, schreibt sie Gefangenen. Ihr aktueller Briefpartner hat den Tod von Menschen sogar aus dem Gefängnis heraus organisiert, wird behauptet. Heleen berichtet ihm vom Quartett und glaubt ihn durch die Musik von etwas Besserem überzeugt zu haben. Ein schwerer Irrtum, der alle vier Musiker in Gefahr bringen wird. Und noch einer fehlt im Quartett. Auf Hugos Hausboot treffen sich alle zum Musizieren, gleich in der Nähe befindet sich das Gerichtsgebäude. Hugo ist Vater einer dreijährigen Tochter, mit deren Mutter er aber nicht zusammenlebt. Seinen Job bei der Stadt wird er als Musikmanager verlieren, denn die Gebäude werden an einen chinesischen Investor verkauft. Hugo scheint eher erleichtert als deprimiert.

Der Leser lernt Reinier van Aalst, einen ehemals erfolgreichen Musiker und Pädagogen, kennen. Jetzt ist Reinier über achtzig Jahre alt, gebrechlich und er lebt immer in der Angst, jemand von der Stadt könne kommen und ihn in ein Altenheim verfrachten. Als der marokkanische Junge Diss ihm seine Hilfe anbietet, spürt Reinier alle seine Vorurteile, seine Angst vor dem Fremden. Aber Diss liebt die klassische Musik, Reinier spielt ihm eine alte Aufnahme von sich vor und das Eis ist gebrochen. Reinier kann einfach nichts annehmen, trotzdem putzt Diss‘ Mutter einmal die Woche die Wohnung.

Alle Protagonisten erzählen nun aus ihren Blickwinkeln vom Leben mit der Musik. Nichts Großartiges passiert im Verlauf dieser psychologisch fein bearbeiteten Geschichte als sei alles Schreckliche schon geschehen, bis am Ende die Gewalt auf dem Hausboot alle aus dem Gleichgewicht bringt.