Simon Mason: Ein Mord im November, Ein Fall für DI Wilkins, Aus dem Englischen von Sabine Roth, Goldmann Verlag, München 2025, 400 Seiten, €17,00, 978-3-442-49564-1
„In der Welt, aus der er kam, tat man sich mit Mitgefühl keinen Gefallen. Zorn funktionierte besser, Wut bei der Vorstellung, dass jemand das Leben aus ihr rausgequetscht, sie hässlich gemacht und dann auf den Teppich hatte liegen lassen wie Müll. Aber – auch das wusste er – seine Wut war gefährlich, sie ging mit ihm durch, brachte ihm neuen Ärger ein. Am besten fuhr er mit Ruppigkeit. Ruppigkeit akzeptierten die Leute bei einem wie ihm; wenn er pampig zu ihnen war, dann war die Welt für sie in Ordnung.“
Doch auch diese Ruppigkeit konnte DI Ryan Wilkins zum Verhängnis werden, wenn er es mit Leuten zu tun hatte, die zum einen über gute Kontakte verfügten und zum anderen keine Lust, sich von einem dahergelaufenen Polizisten, der wie ein Zwölfjähriger in seinen schlampigen Trainingshosen aussieht, beschuldigen zu lassen. Der eigentlich siebenundzwanzigjährige Ryan Wilkins wirkt eher wie ein Kleinkrimineller als ein seriöser Ermittler, der, wenn er den Mund öffnet, auch noch wie ein echter frauenfeindlicher, rassistischer Proll klingt. Nur einem Versehen ist es zu verdanken, dass er nun neben einer erdrosselten, jungen attraktiven Frau im Arbeitszimmer von Sir James Osborne, dem Leiter von Barnabas Hall an der Universität Oxford steht. Dieser hatte an diesem Abend einen wichtigen Termin mit einem zahlungsfähigen Scheich, der durchaus berechtigt die Sicherheitsmaßnahmen in den Gebäuden kritisierte. Da die ersten Befragungen mit dem sehr aufgebrachten Provost nicht sonderlich gut gelaufen sind, stellt man dem strafversetzten Ryan, der seine heftigen Gefühle einfach nicht unter Kontrolle hat, seinen Namensvetter an die Seite. DI Ray Wilkins ist nun der komplette Gegenpart zu Ryan. Er stammt aus gutem Hause mit entsprechenden Umgangsformen und ist als junger schwarzer Kriminalbeamter in seiner korrekten, wie geschmackvollen Kleidung ein wortgewandter, smarter Überflieger. Mag ihn Ryan für einen Snob halten, so scheint Ray in diesem Fall auf den ersten Blick doch der geeignetere Ermittler zu sein. Dieses nun widerwillig zusammen gespannte Duo treibt die Handlung mit seinen auch unfreiwillig komischen Dialogen voran und der Tatsache, dass auch Ryan seine guten Seiten hat, denn er ist Vater eines kleinen dreijährigen Jungen, der äußerst gut erzogen ist.
Ryan jedenfalls prescht bei den Ermittlungen spontan und von seinem Bauchgefühl getrieben etwas kindisch voran, wobei Ray dann immer besonnen und wohlüberlegt die Wogen glätten muss. Dabei sind Ryans Beobachtungsgabe und seine intuitiven Lösungsansätze zum Teil gar nicht so falsch. Ray dagegen ist eher der gründliche Arbeiter, der sich die Nächte mit Akten um die Ohren schlägt. Doch kaum haben die beiden begonnen, hat Ryan auch schon ein Disziplinarverfahren am Hals, da er sich nie an den polizeilichen Verhaltenskodizes orientiert. Wäre da nicht seine Chefin, er wäre längst suspendiert.
Dass die beiden Ermittler herausfinden, wer nun die unbekannte Tote ist, verdanken sie wiederum Ryans ungehörigem Benehmen. Er entdeckt eindeutige, pornografische Bilder vom Opfer, die in den ehrwürdigen Räumen der Universität gemacht wurden, auf dem Laptop des Provost. Wieder sind die Sicherheitsvorkehrungen und unabgeschlossene Türen die Ursache dafür, dass ein Fotograf namens Thomas Dubin und sein nun ermordetes Model, Sophie Barbery, klammheimlich eindringen konnten. Doch auch Dubin wird ermordet.
Nach und nach fallen die Puzzleteile zu einem möglichen Tathergang zusammen, doch Simon Mason führt die Lesenden immer wieder geschickt auf Irrwege. Verdächtig verhält sich jedenfalls die geflüchtete, streng religiöse Syrierin Ameena Najib, die in Barnabas Hall als eigentlich ausgebildete Juristin wie ein Küchenmädchen behandelt wird. Auch das erste Todesopfer Sophie Barbery stammt mit ihrer Familie aus Syrien, allerdings ist ihre Fluchtgeschichte eine völlig andere als die von Ameena. Und dann dreht sich alles auch noch um einen wertvollen Koran, auf den es der arrogante Arabist Andrew Goodman abgesehen hat. Dass niemand die Tote kannte, stellt sich schnell als Lüge heraus.
Wie die beiden so gegensätzlichen Ermittler, die keine Busenfreunde werden, nun den Fall, nicht ohne Blessuren davonzutragen, lösen, liest sich absolut spannend und realitätsnah.