Shira Gill: Organized Living, Die besten Tipps von 25 Aufräum-Coaches für ein leichteres und schöneres Leben – Mit Checklisten, Q&As und Fotos unterschiedlichster Wohn- und Lebensräume, Prestel Verlag, München 2025, 288 Seiten, €28,00, 978-3-7913-8034-6
„Brandi sagt dazu: ‚Schöne Dinge machen mich einfach glücklich. Ich fühle mich nicht komplett, wenn im Haus Unordnung herrscht. Es muss nicht perfekt aussehen, aber man muss sich wohlfühlen können.’“
In den USA wie in vielen anderen Ländern häufen Menschen gern viel zu viele Dinge an, die sie sicher nicht alle wirklich benötigen. Nicht umsonst setzt sich der Trend seit Marie Kondo durch, einfach mal seine Kleider, Hosen, Blusen oder andere Dekorationen oder sogar Bücher zu befragen, ob man sie nach Jahren im Schrank oder außerhalb wirklich noch braucht. Dass sich offenbar nur Frauen nun selbstständig gemacht und sogar Firmen gegründet haben, um Wohnungen und Häuser von anderen aufzuräumen, erscheint im Zuge unserer derzeitigen Wirtschaftslage mit höheren Preisen und steigender Inflation ein Luxusgeschäft.
Shira Gill, selbst professionelle Aufräumerin, hat für ihr Buch Menschen rund um die Welt interviewt, die sich die Ordnung in anderen Haushalten zur Aufgabe gemacht haben. Die Autorin schaut in die Biographien der Frauen und rekonstruiert ihren individuellen Weg zum Ordnungsprofi. Am Ende jedes Kapitels findet sich dann ein Fragenkatalog. Gill will eher unterhaltsam wissen, wo die Stärken und Schwächen der Aufräumerinnen liegen. Zwischen den Texten mit Originaltönen der Interviewten finden sich Checklisten, die Tipps geben, z.B. von den Tricks der Ordnungsprofis oder wie man Ordnung hält, wenn Kinder im Haus sind. Dass man Kindern Ordnung anerziehen kann, mag bei Mädchen eher als bei Jungen zu funktionieren.
Feingefühl und Takt sind sicher die wichtigsten Eigenschaften der Aufräumerinnen, denn wer will schon, dass ein Fremder in den eigenen Sachen herumwühlt. Wichtig für die Ordnungsprofis sind Körbe in allen Größen und Formen und die Idee, dass man alles beschriften müsse.
Weniger ist sicher mehr in sogenannten Zeitenwenden und sicher produziert die Industrie immer mehr Allzweckmöbel, die das Wohnen in kleinen Räumen erträglich machen.
Doch bei Shira Gill wird natürlich größer gedacht. Auch sie versucht, vieles hinter Schränken verschwinden zu lassen. So erstaunt es nicht, dass auf fast allen Fotos von Vivian Johnson keine Bücher zu sehen sind. Der Drang zum Wegräumen, Ausmisten und Reduzieren verdrängt auch vieles, was greifbar sein sollte. Allen Fotos von den Ordnungsprofis, die ja für die Interviews ihre eigenen blitzblanken Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt haben, ob nun in Atlanta, Quebec oder Stockholm, ob von Strandhäusern, schicken Lofts oder Stadthäusern, fehlt allerdings das Individuelle, das Originelle. Sicher räumen auch normale Menschen ohne Hilfe ihre Wohnung auf, doch sie schmücken diese mit ihren eigenen Vorlieben, ihrem individuellen Geschmack und allen Zeichen eines gelebten Lebens.
Wozu müssen Dinge beschriftet werden, wenn ich sehe, was in ihnen aufbewahrt wird, z.B. Winterpullover oder Schuhe? Eigenartig auch, dass Leute getragene Schuhe in die Schränke stellen, in denen sie auch ihre sauberer Kleidung hängen.
Die Idee, alles auf Kante und übersichtlich anordnen zu können, ist in einem Haushalt mit Kindern oder einem unordentlichen Mann einfach nicht möglich.
Schade ist auch, dass die Papier- und somit Fotoqualität, die für Shira Gills Buch ausgewählt wurde, nicht sonderlich gut ist. Alles wirkt zu blass, wie überbelichtet.
Auch wenn ständig betont wird, dass es nicht um Perfektion geht, wird den Betrachtenden und Lesenden in Bild und Wort ununterbrochen Perfektion vorgeführt und das ist einfach nur langweilig.
Kurzum: Alles ist sehr funktional, aber ohne Herz.