Sally Rooney: Intermezzo, Aus dem Englischen von Zoë Beck, Claassen Verlag bei Ullstein, Berlin 2024, 496 Seiten, €24,00, 9783546100526
„Die Tatsache, dass Peter, während er Margarets Person mit Spott überzog, eine Freundin in Ivans Alter hatte und sich dessen bewusst war. Und jetzt soll Ivan sich um die geistige Gesundheit von jemandem sorgen, der ihm mit derart übler Geringschätzung gegenübergetreten war? Nein. Aber warum setzen diese Worte ihn dann so unter Druck, er trinkt zu viel, etwas stimmt nicht mit ihm.“
Die Irin Sally Rooney, wohnhaft in Dublin, bleibt in ihren Romanen immer in ihrem lokalen Erfahrungsfeld, auch in ihrem neuesten Werk.
Alles beginnt mit der Beerdigung des Vaters von Peter und Ivan Koubek. Beide Brüder sind gut zehn Jahre auseinander, und haben sich nicht viel zu sagen. Der zweiunddreißigjährige Peter ist ein gutaussehender Anwalt, der eine Affäre mit der sehr jungen Studentin Naomi hat. Sie ist im Alter von Ivan, der innerhalb der Familie als genialer Nerd gilt, der an den Fingernägeln knabbert, eine Zahnspange trägt und um Geld zu verdienen, an Schachwettbewerben teilnimmt. Auch wenn die Beziehung zum Vater nicht sehr eng war, trauern beide Söhne um ihn. Als Ivan dann die attraktive Margaret bei einem Schachturnier kennenlernt, glaubt er zuerst, es sei ein One-Night- Stand. Die kinderlose Margaret ist in Peters Alter und sie lebt von ihrem alkoholabhängigen Ehemann getrennt.
Immer im Perspektivwechsel zwischen den Brüdern und Margaret entwickelt sich eine eher auf das Innenleben, so wie philosophische Fragen und lange Gespräche orientierte Handlung. Zu Wutausbrüchen zwischen den Brüdern kommt es, als Ivan in einem rührseligen Moment seinem Bruder von seiner Liebe zu Margaret erzählt, für die Peter kaum Verständnis zeigt.
Ivan allerdings weiß nicht, dass Peter eine Beziehung zu Naomi hat. Er glaubt, dass sein Bruder eher mit seiner ehemaligen Freundin Sylvia, einer Literaturdozentin, wieder zusammenkommt. Aber auch Margarets Zweifel und auch Hoffnungen umkreist die irische Autorin, die sich in eine selbstbewusste Frau versetzt, die ihren Anspruch auf Glück gegen die gesellschaftlichen Regeln verteidigen muss.
Eine unrühmliche Rolle spielen die Mütter in diesem Roman, denn Ivans Mutter verspürt nur Abneigung gegen ihn und Margarets Mutter Bridget zeigt unverhohlen ihre Unzufriedenheit mit allem, was Margaret in ihrem Leben erreicht hat. Als Ivan dann im Haus des Vaters auf Naomi trifft, sie musste nach einer Zwangsräumung ihre Wohnung verlassen, verändert sich sein Blick auf den Bruder, der psychisch labil zu Drogen greift.
Gedankenfetzen, kurze Sätze, dann wieder ellenlange Diskussionen und wieder nur Gedankenfetzen, Sally Rooneys realistischen Schreibweise über eine begrenzte Anzahl von Figuren, ist modern und gibt viel Raum für eigene Empfindungen und Gedankenspiele.